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Hat am Sonntag auf den Tag genau seit 60 Jahren ein gekröntes Haupt: Elisabeth II.

Foto: REUTERS/Dan Kitwood/Pool

Die Royal Mail wirft eine Serie neuer Briefmarken auf den Markt, das Riesenrad London Eye erhält eine "Krönungskabine", der Bischof von London hält einen historischen Vortrag. Im Garten des Buckingham Palace dürfen britische Konzerne eine Verkaufsmesse organisieren, McDonald's wirbt für den Verzehr von "knusprigem Krönungshendln". Ob diese eher bescheidenen Bemühungen dem großen Anlass gerecht werden?

Immerhin geht es um ein seltenes, ein 60. Kronjubiläum: An diesem Sonntag jährt sich die Krönung von Elisabeth II zur Königin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland sowie weiterer 15 Territorien von Kanada bis zum Südseezwerg Tuvalu (10.544 Einwohner), aber von royaler Begeisterung kann jedenfalls im Heimatland der unermüdlichen Monarchin keine Rede sein. "Wo ist all die Straßenfeststimmung geblieben?", klagt loyal der Telegraph.

Fantasie wenig beflügelt

Die Antwort liegt auf der Hand: Die Nation hat ihrer Begeisterung für die Königin und ihren Clan in den vergangenen 24 Monaten reichlich Ausdruck verliehen, hat Kate und William, dem Herzogspaar von Cambridge, bei deren Hochzeit zugejubelt und im vergangenen Jahr ausgiebig Elisabeths 60 Jahre auf dem Thron gefeiert, schließlich reicht deren Regentschaft zurück in den Februar 1952.

Die 60. Wiederkehr der Krönung im Juni 1953 beflügelt offenbar die Fantasie der Untertanen weniger, zumal im Juli schon wieder ein freudiges Ereignis bevorsteht: Dann bringt Prinzessin Kate ihr erstes Kind zur Welt, das hinter Großvater Charles und Vater William umgehend den dritten Platz in der Thronfolge einnehmen wird.

Die wilden Zeiten sind vorbei

Derzeit bedarf die mancherlei Anfechtungen ausgesetzte Nation - Terrorismus, wirtschaftliche Schwäche, Dauerregen - in konstitutioneller Hinsicht keiner Selbstvergewisserung. Im 88. Lebensjahr und 62. Jahr ihrer Regentschaft sonnt sich Elizabeth Alexandra Mary Windsor im Glanze der Zustimmung der Untertanen. Die Generation ihrer Kinder, angeführt vom 64-jährigen Thronfolger Charles, hat ihre wilde Zeit hinter sich, die Enkel geben sich erstaunlich skandalfrei, sieht man einmal von Partyprinz Harry ab. Innenpolitisch droht der Monarchie und ihrer Erbfolge ebenso wenig Gefahr wie im Commonwealth, dem postimperialen Club von 54 Nationen, in dem Königin Elisabeths andere 15 Herrschaftsgebiete eine wichtige Rolle spielen.

Was die Königin am Dienstag auf dem Weg zum Festgottesdienst in der Westminster Abbey erlebt, dürfte einer Zeitreise gleichkommen. Der Vergleich liegt ja nahe mit jenem Regentag vor 60 Jahren, als die junge Königin in der Kutsche vom Buckingham-Palast zur Kirche fuhr und auf jenem Holzstuhl Platz nahm, den Edward I. gegen Ende des 13. Jahrhunderts als Krönungsthron hatte anfertigen lassen. Zur Musik Georg Friedrich Händels, heute bekannt als Hymne der besten Fußballer Europas, griff der Erzbischof von Canterbury bei der feierlichen Weihe der Königin auf eine Passage aus dem Alten Testament zurück: "So wie Salomon gesalbt ward durch Zadok, den Priester ...", lautete die Passage.

Erstes TV-Event

Diese zentrale religiöse Handlung blieb damals den Fernsehzuschauern verborgen - wie sie auch beim Rest der Zeremonie häufig nur den Hinterkopf des Erzbischofs zu sehen bekamen anstatt das Antlitz der Monarchin. Und doch stellte die Anwesenheit der Kameras vor 60 Jahren einen Triumph des noch jungen Mediums dar: Erstmals wurde ein weltweit bedeutendes Ereignis live übertragen.

Wie in Bonn der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer saß in Paris ein Mann vor dem Fernseher, der beinahe selbst zur Hauptperson einer Krönung geworden wäre: Edward VIII. hatte 1936 noch rechtzeitig abgedankt. Nach der Krönung beurteilte er durchaus wohlwollend die Performance seiner Nichte. "Eine Frau absolviert dies alles doch weitaus anmutiger, als ein Mann das könnte", sprach der Herzog von Windsor, dem die Einladung in die Abbey verwehrt geblieben war. (Sebastian Borger, DER STANDARD, 31.5.2013)