Aber das Ritz-Carlton, höre ich Sie schon rufen (und dann gleich posten) und korrigiere den Titel. "Hongkongs höchste Küche" steht da. Und das ist halt nicht nur höhenmetrisch ziemlich falsch. Weil ja eben zum Beispiel das Ritz Carlton auf den obersten Etagen des 484 Meter hohen International Commerce Centre in Kowloon liegt. Und weil der Luxusschuppen Tin Lung Heen mit immerhin zwei Michelin-Sternen und dazu das Tosca, halt ganz ohne, wenn ich das recht überblicke. 

Beide hab ich ausgelassen, weil erstens gibt es ja noch einen Dreisterner hier mit auch ganz schöner Aussicht (zum Beispiel auf das ICC), aber davon ein ander Mal. Und zweitens widerspricht man wunderbaren Gastgebern nicht, wenn sie dem Zugereisten einen nächtlichen Blick auf Central Hongkong gönnen wollen (vor allem, wenn der Zugereiste das Lokal nicht kennt). Und drittens ist der wirklich, wirklich spektakulär. Ganz ohne Sterne.

Seegurkencarpaccio

Wir befinden uns im Hutong, einer von vielen Lokalitäten der Aqua Group, ganz oben im One Peking Road (schon wieder Kowloon). Laut Eigendefinition "One of the worlds five top Chinese restaurants" übrigens. Sagen wir so: Die Aussicht ist schon sehr, sehr toll von der Aqua Bar ganz oben und ebenso vom Hutong darunter. Und: Das (gewaltig portionierte) Seegurkencarpaccio fand ich wirklich gut. Überraschend bissfest, von durchaus angenehm-harmloser Konsistenz, ein bisschen meerig, sonst nicht sonderlich geschmacksintensiv.

Die Jakobsmuscheln waren waren soweit okay (und ebenfalls amerikanisch üppig). Die halbe Peking-Ente sehr anständig. Der Tofu mit Chili geriet mir schon etwas zu scharf. Und beim Beef Brisket kam dem Koch endgültig die scharfe Hand aus: Da schnaufte sogar Klemens - der das brutale Rind bestellt hatte.

Klebriger Tisch

Bei Nacht wirkt die chinesisch-rustikale Einrichtung noch okay (bis auf die doch schon recht klebrige Tischplatte halt). Untertags wirkt sie schon ein bisschen billig. Aber: In dieser Höhe muss das Panorama reichen. Oder so. Wir wechseln die Seiten (des Hafens), stärken uns mit einem Glas Ruinart auf der Terrasse des Sevva oben auf dem Prince's Building für neue Aufgaben. Weil wenn ich schon möglichst Chinesisch/Kantonesisch verlange und über die Einrichtung des Hutong meckere: dann China Club.

Wenn ich das richtig verstanden habe ein Spielplatz für einen, nun, wohlhabenden Sammler recht gegenwärtiger chinesischer Kunst und nicht mehr ganz so gegenwärtiger kommunistischer, nun, Hurrabilder. Und das oben im alten Gebäude der Bank of China, eingerichtet grob zwischen Zwanzigern und Mad Men. Aber Sie wissen ja schon vom Essen, wie überschaubar stilsicher ich bin. Wikipedia empfiehlt mir etwa, vom retro-chicen Shanghai Style zu schreiben, was ich gerne befolge. Und ergänze: die Bar heißt Langer Marsch. Das Personal serviert in weißen Jackets, die ich als Gala-Uniform einordnen würde.

Potztausend, Ei!

China Club. Also tausendjähriges Ei - ein Ausbund an braunjellygem Ammoniak, aber hallo! Zugänglicher schon der gebratene Aal vorweg. Und die vegetarischen Frühlingsrollen waren schon ganz okay, wiewohl in der Runde ein bisschen sehr harmlos. Man möchte sich zwischendurch ja auch einmal erholen.

A propos: Gegen das Hutongrind nahm sich das Diced Chicken erfreulich sanftmütig aus, für Klemens fast ein bisschen enttäuschend, schien mir. Dafür eine wirklich anständige Pekingente.

Ja, man kann in Hongkong auch für einen Bruchteil der 200 bis 250 Euro hier (zu dritt immerhin) wunderbar essen. Mit dem einen oder anderen Michelin-Stern. Aber: Auch ein Fidler will einmal hoch hinaus. Und zu den wundergünstigen Sternen kommen wir noch.

Cafe Loisl, Hongkong

Und damit Sie mich endgültig für pervers halten (nach der auch noch falschen Käsekrainer in Singapur): Es gibt ein Wiener Café in Hongkong. Café Loisl. Die Melange ist anständig, der kleine Schwarze sowieso, das Lokal überraschend unpeinlich, überschaubar klein, trotzdem: Eilig sollte man es halt vielleicht nicht haben.

Aber jetzt endlich zu den Bildern. Geht ja um schöne Aussichten.

So schaut's aus: Blick von One Peking Street Richtung Hongkong. Vom Hutong.

Foto: Harald Fidler

Aber wir beginnen noch einen Stock über dem Hutong, mit einem Apero und ein bisschen Fotografie aus der Hüfte in der Aqua Bar.

Foto: Harald Fidler

Noch ein schneller Schattenriss in der Bar und schon geht's...

Foto: Harald Fidler

... endlich Richtung Essen - Hutong von oben, im Dunkeln schöner als bei Tag.

Foto: Harald Fidler

Das kann man vermutlich auch von der Seegurke behaupten, die da in einer wirklich ordentlichen Portion daherkam. Ich mochte sie.

Foto: Harald Fidler

Das Panorama finden nicht alle so spannend,...

Foto: Harald Fidler

... und wir die Jakobsmuscheln - aber schon sehr anständig.

Foto: Harald Fidler

Einmal Pekingente zur schönen Aussicht, geschmacklich sehr okay.

Foto: Harald Fidler

Der Tofu war schon ein bisschen forscher gewürzt - was erwartet man auch, wenn man ihn mit Chili bestellt?

Foto: Harald Fidler

Beim Rind freilich wurde es dann wirklich zu scharf. Mehr Mutprobe denn Essen.

Foto: Harald Fidler

Dann lieber die Höhenangst-Mutprobe - Pano zum Abschied vom Hutong.

Foto: Harald Fidler

Das passt doch, sagte Martha, und schlug vor, mich vor diesem Gebäude fotografieren zu lassen. Das war einst das höchste Haus von Hongkong, der erste Wolkenkratzer praktisch. Laut Reiseführer trägt es wegen der Fensterform den Spitzenamen Haus der 1000 Arschlöcher. Danke, Martha :)

Foto: Harald Fidler

Iphone-Panoramaversuch von der Sevva-Terrasse, vor dem Champagner.

Foto: Harald Fidler

Harry Seidlers Hong Kong Club von der Terrasse des Sevva. Und wo wir schon bei Clubs sind...

Foto: Harald Fidler

Das alte Gebäude der Bank of China. Ganz oben findet sich da der China Club. Reservierung empfiehlt sich, Mitgliedschaft hilft jedenfalls dabei.

 

Foto: Harald Fidler

Long March Bar  des China Club. Auf dem Weg zur Terrasse übrigens lieber nicht in die Bibliothek abbiegen. Dort bleibt man lieber unter sich.

Foto: Harald Fidler

Ein kurzer Blick in den Haupt-Speiseraum des China Club.

Foto: Harald Fidler

Potztausend: Alte Eier im China Club, sehr, sehr heftiger Ammoniak. Muss man mögen.

Foto: Harald Fidler

Vegetarische Rollen, schon okay, aber auch kein Highlight.

Foto: Harald Fidler

Ente gut: Peking, am Tisch zerfitzelt. Ganz meins.

Foto: Harald Fidler

Scharfes Huhn, lang nicht so scharf wie das Hutong-Rind. Und eindeutig unterbelichtet, sorry for that!

Foto: Harald Fidler

Falls jemand in Hongkong ein Wiener Kaffeehaus vermisst: Loisl hilft.

Foto: Harald Fidler

Zwei Fälle von Mussnichtsein will ich noch erwähnt haben: Die Weinbar Divino (Bild) in der Wyndham Street in Central - gute Winzer, gute Weine auf der Karte, aber alles, was wir bestellten, gab's nicht. Seinem Namen überraschend wenig gerecht wurde - nach einem beherzteren Start - das Spices in Repulse Bay, falls es jemand dorthin verschlägt. (Harald Fidler, derStandard.at, 4.6.2013)

Foto: Harald Fidler