Man vertraut der knappen Form und wählt meist den ersten gedanklichen Impuls.

Foto: Andrea Maria Dusl

Pro: Die Suppe war gut
Von Christian Schachinger

Das Gipfelbuch oben auf dem K2 wäre wahrscheinlich das exklusivste der Welt. Dessen Lektüre würde mit erheblichem Aufwand verbunden sein. Möglicherweise würde man sich auch nur unnötig in Lebensgefahr begeben, um oben mit zittriger Hand zu einem Klagenhagel geballte Wörter zu lesen, die den Berg in seiner topografischen Würde verletzen könnten.

Leichter fällt da schon die Lektüre des Internetz-Gästebuchs einer Lady Gaga ("I love you and your body.", Kurti Stranzinger, Ebreichsdorf) oder das Blättern in den Spargelmemoiren des Marchfelder Hofs ("Unten war er heuer holzig. Wieder ist ein Jahr vorbei.", Waltraud "Mariandl" Haas).

Interessant sind solche Einträge auf jeden Fall. Man vertraut der knappen Form und wählt meist den ersten gedanklichen Impuls. Der Leser ist also am Puls der Zeit und bekommt Einsichten vermittelt, von denen er zuvor möglicherweise gar nicht wusste, dass es sie gibt. Wenn mich persönlich wer bittet, schreibe ich gern: "Die Suppe war sehr, sehr gut. MfG"

Kontra: Zu viel gähnen
Von Gudrun Springer

Gästebücher werden einfach niemals voll. Statt Zeugnis über rauschende Partys, opulente Mahle oder spontane After-Work-Prosecco-Orgien abzulegen, mutet der papierene Staubfänger auch nach Jahren des gastfreundschaftlichen Bemühens noch beinahe jungfräulich an. Das gern gehegte Selbstbild, man habe stets eine offene Tür, bekoche im Wochentakt Freunde mit Vier-Gänge-Menüs und sei immer für spontane Überfälle von Verwandten zu haben, erhält durch massenweise leer gähnende Gästebuchseiten zumindest den ein oder anderen Kratzer.

Und dann kommt ein Teufelskreis in Gang. Wenn das letzte "Vielen Dank für Speis und Trank" ein allzu entferntes Datum aufweist, ist es irgendwann zu peinlich geworden, das Ding in illustrer Runde auf das rotweinbefleckte Tischtuch zu knallen und den suppenkomatösen Gast zu kreativen Ergüssen zu zwingen. Es wird einem ewig leidtun um die genialen Reime, ungekannten Lebensweisheiten und salbungsvollen Dankesworte, die man dadurch verpasst. (Rondo, DER STANDARD, 31.5.2013)