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Beim Cannabiskonsum blieben die Zahlen stabil, in manchen Ländern sind sie leicht rückläufig.

Foto: REUTERS/Albeiro Lopera

Lissabon - Unter den erwachsenen Europäern haben mindestens 85 Millionen, also etwa ein Viertel, irgendwann in ihrem Leben eine illegale Droge konsumiert. Das ist eines der Resultate des Jahresberichts der EU-Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA), den die Organisation am Dienstag in Lissabon präsentierte.

Im Jahr 2012 war Europas Drogensituation demnach von einem Wandel gekennzeichnet. In einigen Ländern sank die Zahl der Neukonsumenten von Heroin, des injizierenden Konsums und des Konsums von Cannabis und Kokain. Bedenken hat die Drogenbeobachtungsstelle jedoch bezüglich bisher nicht indizierten Substanzen. 

Hier verändert sich der Markt rasch, es gibt zunehmende Diversifizierung der Substanzen. Im Jahr 2012 wurden über das EU-Frühwarnsystem (EWS) 73 psychotrope Substanzen erstmals offiziell gemeldet. "Das ist ein negativer Rekord. Wir wissen nicht, wie es weitergeht", sagte EMCDDA-Direktor Wolfgang Götz. Insgesamt werden seit 2005 mehr als 280 psychoaktive Substanzen überwacht. Von den neuen Substanzen gehörten mit 30 die meisten zu den synthetischen Cannabinoiden, die Cannabis-ähnliche Wirkungen aufweisen. Laut dem Drogenbericht "wurden diese Produkte, die extrem stark sein können, inzwischen in praktisch allen europäischen Ländern gemeldet".

Komplexer und dynamischer Markt

Der Bericht zeige, dass der gesamte Drogenmarkt heute "komplexer und dynamischer" ist, sagte Götz bei der Pressekonferenz. "Die traditionellen pflanzenbasierten Drogen sind stabil bzw. beim Abnehmen", erklärte Götz. Es wird laut Bericht nicht mehr über weite Strecken zu den europäischen Abnehmern transportiert. Hierbei sind Globalisierung und Informationstechnologie wichtige Triebkräfte der Veränderung, wobei das Internet in puncto Konsum und Angebot neue Verbindungen schafft. "Wir müssen unsere derzeitigen Maßnahmen weiterhin anpassen, wenn sie im Zusammenhang mit den sich entwickelnden Trends und Konsummustern bei neuen und alten Drogen relevant bleiben soll", sagte Götz.

Im Bereich der Stimulanzien ist Europa zweigeteilt, erläuterte Götz. Kokain spielt im Süden und Westen eine Rolle und Amphetamine im Osten und Norden, und es gibt "drei vier Länder wo Ecstasy eine Hauptrolle spielt". Ein problematisches Element ergibt sich durch Mischkonsum, legale und illegale Drogen werden gemixt. Es werden Substanzen ausgetauscht oder gemischt genommen, häufig würden die Leute "nicht wissen was sie tun und was sie wirklich zu sich nehmen, sie sind also Versuchskaninchen, begeben sich freiwillig in die Situation", erklärte Götz.

Im Folgenden die wichtigsten Ergebnisse des Berichts zu den einzelnen Substanzen:

Cannabis: Schätzungsweise 77 Millionen erwachsene Europäer (15 - 64 Jahre) haben irgendwann in ihrem Leben einmal Cannabis probiert, für das Jahr 2011 berichteten dies etwa 20 Millionen. Trotz Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern lassen sich laut Bericht insgesamt stabile Tendenzen beim Konsum erkennen. Während der Anteil an Cannabisharz zurückging, stieg jener an Cannabiskraut, also Marihuana, an. Die Behandlungsnachfrage steigt: Begaben sich 2006 noch 45.000 Menschen erstmals in Behandlung, waren es 2011 bereits 60.000.

Heroin: Hier gibt es laut Bericht Anzeichen für einen Rückgang des Konsums und des Angebots. Die Zahl der Patienten, die wegen Heroinproblemen erstmals eine spezielle Drogenbehandlung begannen, verringerte sich in Europa insgesamt von einem Höchstwert von 59.000 im Jahr 2007 auf 41.000 im Jahr 2011. Der deutlichste Rückgang wurde in westeuropäischen Ländern beobachtet. Daten von Patienten in Behandlung zeigten außerdem einen anhaltenden Rückgang des injizierenden Drogenkonsums. Diese Abnahme sowie die Auswirkungen der ergriffenen Maßnahmen (beispielsweise Substitutionstherapie) dürften zu dem beobachteten Rückgang der Zahl drogenbedingter HIV-Neuinfektionen in Europa beigetragen haben.

Kokain: Etwa 14,5 Millionen Europäer (15 bis 64 Jahre) haben irgendwann im Leben einmal Kokain probiert, 2011 waren es etwa 3,5 Millionen. Der aktuelle Drogenbericht zeigt jedoch, dass insgesamt sowohl der Konsum als auch das Angebot eine rückläufige Tendenz aufweist. Während einige Länder weiterhin über eine Zunahme des geschätzten Kokainkonsums berichteten, ergaben sich aus jüngsten Erhebungen Anzeichen für einen abnehmenden Konsum bei jungen Erwachsenen (15- 34 Jahre) in den fünf Ländern mit der höchsten Prävalenz (Dänemark, Irland, Spanien, Italien und das Vereinigte Königreich). Zudem treten weniger Konsumenten eine Behandlung an. Die Zahl der Patienten, die sich zum ersten Mal in Behandlung begaben, fiel von 37.000 im Jahr 2009 auf 31.000 im Jahr 2011. Mindestens 475 kokainbedingte Todesfälle wurden 2011 verzeichnet.

Synthetische Stimulanzien: Amphetamine und Ecstasy sind weiterhin die meistkonsumierten synthetischen Stimulanzien in Europa und konkurrieren in gewissem Maße mit Kokain. Schätzungsweise 12,7 Millionen erwachsene Europäer haben bereits einmal Amphetamine (Amphetamin und Metamphetamin) probiert, 2011 waren es etwa zwei Millionen. Der Konsum von Amphetaminen bei jungen Erwachsenen ist stabil bzw. rückläufig, mittlerweile gibt es Anzeichen für ein steigendes Angebot sowie einen zunehmenden Konsum von Metamphetamin. Schätzungsweise 11,4 Millionen erwachsene Europäer haben irgendwann in ihrem Leben einmal Ecstasy (MDMA) probiert, 2011 waren es etwa zwei Millionen. Ecstasy hat in den letzten Jahren laut Drogenbericht anscheinend an Popularität verloren, was möglicherweise die schlechte "Qualität" (Reinheit bzw. MDMA-Gehalt) der verkauften Tabletten widerspiegelt. Dies scheint sich nun zu ändern und gibt es Anzeichen dafür, dass eine gesteigerte Verfügbarkeit von MDMA das Interesse an dieser Droge wieder belebt, so der Bericht. (APA, 28.5.2013)