Einmal an den Rand eines Nuklearkrieges und wieder retour, das dauert in Pjöngjang etwas mehr als drei Monate. In Seoul dagegen gestaltet sich eine solche sicherheitspolitische Reise im Koreakonflikt etwas zögerlicher. Nach diversen Vernichtungsdrohungen und dem Abbruch beinahe aller Kommunikationsverbindungen traut Südkorea dem Regime im Norden noch weniger als je zuvor, auch wenn dessen Emissäre zuletzt in Peking wieder gut Wetter für Jungdiktator Kim Jong-un machen wollten.

Vergangene Woche hielt sich Vize-Marschall Choe Ryong-hae, Mitglied des Politbüros und stellvertretender Chef der Militärkommission, in China auf, um das zuletzt zwischen den beiden Bruderländern im Beziehungsstress - Peking stimmte für UN-Sanktionen gegen Pjöngjang - zerschlagene Porzellan zusammenzukehren. Er soll laut chinesischer Seite auch einen handgeschriebenen Brief Kims im Gepäck gehabt haben, in dem dieser sich bereiterklärte, die Probleme auf der koreanischen Halbinsel "im Dialog zu lösen".

Wenige Stunden später kam das Angebot zur Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche aus Pjöngjang - allerdings mit der Bedingung, dass Nordkorea niemals auf seine nuklearen Ambitionen verzichten werde. Zur  Bekräftigung dieses Ansinnens trug Choe Ryong-hae, eigentlich Zivilist, in Peking eisern Uniform. Aber das sind ohnehin Konditionen, die weder Südkoreaner noch Amerikaner, ja selbst die Chinesen nicht hinnehmen können. Die ablehnende Reaktion Seouls am Montag war deshalb nicht überraschend: "Taten sind wichtiger als Worte", sagte ein Sprecher des Wiedervereinigungsministeriums. Nordkorea solle sich lieber auf die Wiedereröffnung der während der Krise heruntergefahrenen Wirtschaftszone Kaesong konzentrieren.

In der diplomatischen Auseinandersetzung hat Kim die Eskalation eher geschadet als genützt. Anfang Mai holte sich Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye in Washington bei Barack Obama Rückendeckung, demnächst soll sie in Peking mit großem Bahnhof empfangen werden. Und danach wird Chinas Staatschef Xi Jinping die USA besuchen, mit Nordkorea als Topthema auf seiner Agenda. Die Chinesen wollen keinerlei Probleme in ihrem Hinterhof sehen, die den Führungswechsel in Peking und die chinesische Wirtschaft gefährden könnten.

Kim dagegen wartet seit einem Jahr auf eine Reise nach Peking. Aber auch wenn er sein diplomatisches Blatt zuletzt deutlich überreizt hat, seinen Atomwaffentrumpf hält er noch. Selbst wenn Südkoreaner, Japaner und Amerikaner inzwischen in der Region im Raketenabwehrbereich - Stichworte Patriot, Aegis und Thaad - deutlich aufgerüstet haben. Nach dem dritten A-Waffen-Test am 12. Februar ist noch immer nicht klar, ob dabei wieder Plutonium oder bereits angereichertes Uran verwendet wurde. Die "Schnüffel"-Flieger der Amerikaner konnten keine entsprechenden Partikel in der Atmosphäre feststellen. Das bedeutet, dass Pjöngjang es immer besser versteht, seine Aktivitäten zu tarnen. Plus: Es herrscht bei den Diensten weiter Uneinigkeit darüber, ob die Nuklearsprengköpfe dermaßen miniaturisiert werden können, dass sie auf die zuletzt ebenfalls getesteten Raketenmodelle der Nordkoreaner passen.

Genauso unklar bleibt, wo Kim selbst strategisch hinwill. Im Herbst 2012 und noch in seiner Neujahrsansprache kündigte er an, das Land wirtschaftlich öffnen und umstellen zu wollen. Inzwischen scheint er wieder bei der "Militär zuerst"-Politik seines Vaters gelandet zu sein. Die "New York Times" zitierte den japanischen Verteidigungsminister Itsunori Onodera jüngst aus einem Interview in diesem Zusammenhang so: "Es gab eine Zeit, wo er versuchte, das Land mit westlichen Reformen zu öffnen. Wir waren alle beeindruckt, dass er Disneyland und Basketball mag. Aber inzwischen hat er verstanden, dass er das Land so nicht kontrollieren kann, und ist deswegen wieder zur Militär-zuerst-Politik übergegangen." (Christoph Prantner, derStandard.at, 28.5.2013)