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22. 2. 1992, La Plagne: Appelt, Haidacher, Winkler und Schroll (von vorne) auf dem Weg zum Olympiasieg im Viererbob.

Foto: AP/Cleaver

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Appelt (51) hat oft Gefühl bewiesen. Auf dem Moped, im Eiskanal, mit Schmuck.

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Innsbruck/Wien - Eines muss sein, sagt Ingo Appelt. Dass sich diese Geschichte nicht nur um Ingo Appelt dreht. Schließlich ist er nicht Einerbob gefahren, sondern Viererbob. Etwa am 21. und 22. Februar 1992 in La Plagne, wo sich der Eiskanal der Albertville-Spiele befand. Und also hatte hernach nicht nur Ingo Appelt Olympiagold geholt. Sondern auch Gerhard Haidacher. Und Harald Winkler. Und Thomas Schroll.

Nach vier Läufen hatte Bob Österreich 1 exakt zwei Hundertstel Vorsprung auf Bob Deutschland 1 (Wolfgang Hoppe), Bronze ging an Schweiz 1 (Gustav Weder). "Das wissen heute die wenigsten", sagt Appelt, "dass wir im zweiten Lauf Pech mit einer zerkratzten Kufe hatten, nur die zehnte Zeit fuhren." Es wurde spannend, doch nach dem dritten Lauf lagen wieder die Österreicher voran. Der letzte Lauf? Neun Hundertstel Vorsprung am Start, drei Hundertstel Vorsprung danach, Silber bei der zweiten Zwischenzeit, Gold im Ziel. Appelt: "Wir hatten im Jahr davor die Generalprobe gewonnen, wir wussten, dass es möglich ist."

Die Verteilung der Gewichte

Dass am Start einige Hundertstel verlorengingen, hatte Tradition. "Wir waren relativ leicht", sagt Appelt. "Das war beim Starten ein Handicap, hatte aber auch Vorteile, vor allem aerodynamische." Das zulässige Gesamtgewicht (630 kg) wurde um ungefähr 40 Kilo unterschritten, die Österreicher packten noch 20 Kilo schwere, mit Blei gefüllte Stahlprofile in ihren Bob, fuhren aber "deutlich untergewichtig". Auf die Verteilung der Gewichte wurde geachtet. "Weiter hinten oder weiter vorne", sagt Appelt, "das hat etwas ausgemacht."

Es gibt nicht nur, aber auch in Tirol deutlich mehr Fußballer, Skifahrer und Skispringer als Bobfahrer. Wie Appelt dazugekommen ist? "Einem ehemaligen Bobfahrer fielen meine Mopedfahrkünste auf." Als 17-Jähriger hängte Appelt auf der alten Brennerstraße mit seinem Moped nicht wenige Motorradfahrer ab, schon da zeigte sich sein Gefühl für die Linie. Er bewies es auch im Eiskanal. La Plagne lag ihm besonders. "Schläge, enge Übergänge, eine feine Bahn. Man konnte mit wenig Lenken schnell sein."

Die 92er-Mannschaft hatte sich erst nach und nach gefunden. Ab 1987 saß Winkler mit Appelt im Bob, 1990 stießen Haidacher und Schroll dazu, die aber schon Erfahrung in anderen Schlitten gesammelt hatten. Den schweren Unfall 1987 auf der Naturbahn in St. Moritz erlebte also nur Winkler mit, Appelt war minutenlang bewusstlos, erlitt eine schwere Gehirnerschütterung. "Zwei Wochen lang war ich schwer bedient." Ans Aufhören dachte er aber nicht.

Das Erbe

Appelts Vater war Juwelier und Goldschmied, Ingo hatte die HTL für Werkzeug- und Maschinenbau in Fulpmes abgeschlossen und zeit seiner Sportkarriere im Familienbetrieb mitgearbeitet. Dass er 1992 zurücktrat, hatte vor allem mit dem Tod des Vaters bald nach dem Olympiasieg zu tun. Ingo übernahm das Geschäft, baute es aus. Er führt gängige Marken, hat sich selbst als Schmuckdesigner einen Namen gemacht.

Auf das im Jahr 2000 eröffnete Geschäft in Fulpmes im Stubaital ist Appelt besonders stolz, schon die Gehsteigneigung wird durch engmaschige Roste überspielt. "Der Kunde gleitet wie auf einer Bobbahn hinein." Ein zweites Geschäft befindet sich in den Innsbrucker Rathausgalerien, auch keine schlechte Lage. Parallelen? "Als Bobfahrer denkst du dir die Linie in die Bahn hinein, beim Schmuckdesignen ist es ähnlich." Abgesehen davon ist auch bei Schmuckstücken "die Gewichtsverteilung wesentlich".

Appelt im Landtag

1994 bis 2003 saß Appelt für die FPÖ im Tiroler Landtag, die Zeit sei so " interessant" wie "ernüchternd" gewesen. Als Oppositioneller habe man kaum Gehör gefunden. Stolz ist Appelt darauf, dass der Behindertensport im Landesbudget verankert wurde, wofür er jahrelang gekämpft hatte.

Viele Ingo Appelts gibt es nicht auf dieser Welt, doch heißt ein in Deutschland nicht unbekannter Komiker exakt wie der Olympiasieger aus Tirol. "Er führt jetzt eine feinere Klinge als früher", findet der Tiroler. "Das tut unser beider Namen gut." Beide werden auf den jeweils anderen angesprochen, getroffen haben sie einander noch nie. Mit seinen Olympiasiegerkollegen kommt Appelt regelmäßig zusammen. Winkler, ein Kriminalbeamter, ist in Graz daheim, die anderen leben im Raum Innsbruck. Schroll ist der Geschäftsführer der Nordkettenbahn, Haidacher führt eine Autowerkstatt und ein Handelsunternehmen. Wie Appelt, dessen Söhne 19 und 14 Jahre alt sind, haben auch die anderen drei jeweils zwei Kinder.

Man trifft einander zu runden Geburtstagen und bei Sportevents. Und man traf einander am 20. Jahrestag des Olympiasieges. Im schönen, bunten Olympia-Outfit von damals, in Schladming, eigentlich zum Skifahren. Und das Foto mit der Rodel? "Hat sein müssen", sagt Ingo Appelt. (Fritz Neumann, DER STANDARD, 27.05.2013)