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Abschiebung bedeutet auch Entwurzelung - vor allem, wenn Kinder mit abgeschoben werden sollen, die einen Großteil ihres Lebens in Österreich verbracht haben.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Um geplante, aber umstrittene Abschiebungen nach negativen Asylbescheiden geht es in einem aktuellen Standard-Artikel: Zwei tschetschenische Familien - eine im oberösterreichischen Stadl-Paura, eine in Klagenfurt – fürchten für den Fall einer Rückkehr in die russische Kaukasusrepublik Repressalien.

Um den oberösterreichischen Fall als Beispiel zu nehmen: Hier sind die Hinweise ziemlich dicht, dass die betroffene Frau und ihre zwei Kinder aufgrund ihrer Verwandtschaft mit einem Rebellenführer und Widersacher des jetzigen tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow im Fall einer Rückkehr in ihrer Sicherheit, vielleicht gar ihres Lebens, bedroht wären. Es erscheint möglich, dass die Asylgerichte sowie die überprüfenden Instanzen hier etwas übersehen haben. Etwas, das für die Betroffene dann von existenzieller Bedeutung wäre.

Also wäre bei diesem Abschiebeplan Vorsicht angebracht. Immerhin endeten zwei im Herbst gegen Widerstände durchgeführte Abtransporte mit der Inhaftierung der Betreffenden in Russland – in einem Fall ohne dass eine kriminelle Verwicklung des Mannes von russischer Seite auch nur behauptet worden wäre. Fazit daher: Die beiden geschilderten Tschetschenefälle sollten nochmals geprüft werden.

Hass, Spott, Häme

Doch wie reagiert, wie immer beim Themas Abschiebungen, die LeserInnen-Mehrheit: Zumindest unter jenen, die ihre Ansichten meist mit Nickname, also anonym, unterhalb des Artikels in der Onlineversion posten? Mit Hass, Spott und Häme. Die betroffenen TschetschenInnen hätten gelogen, wird da vollmundig behauptet, gepaart mit Hasstiraden gegen TschetschenInnen an sich. Und der Artikel erst! "Einseitig" sei er, "schlecht recherchiert" und  im Interesse der "Asylindustrie" verfasst. Aber das sei man von den AutorInnen ja gewöhnt...

Als "einseitig" gilt diesen PosterInnen alles, was gegen die geplante Abschiebung sprechen könnte. "Ausgewogen" wäre ein Artikel für sie offenbar nur, wenn die Pro-Abschiebeargumente allein  im Mittelpunkt stünden. Ganz so wie sie es sehen!

Man könnte all dies, samt Anwürfen, dauerhaft ignorieren. Doch vielleicht ist es notwendig, einmal auf eine Gefahr hinzuweisen, die von diesen in Teilen wohl gesteuerten Tiraden ausgehen: Dass sie, aufgrund der permanenten Wiederholung von Unterstellungen und falschen Argumenten, die Berichterstattung über das Thema Asyl und dessen Kehrseite – umstrittene Abschiebungen - verunglimpfen.

Gefahr des Sich-Abwendens

Weil LeserInnen, die sich sonst mit der Materie wenig beschäftigen, dadurch zu dem Schluss kommen können, dass an der Berichterstattung über umstrittene Abschiebungen etwas nicht stimmen kann, wenn sie  eine solche Ablehnung auslöst. Weil sich besagte LeserInnen dann von dem Thema abwenden könnten – obwohl es eines der zentralen und konfliktträchtigsten menschenrechtlichen Themen in Österreich ist. Und nicht nur hier.

Denn bei Abschiebungen geht es vielfach nicht nur einfach darum, AusländerInnen, die es in Österreich probiert haben, aber dazu kein Recht hatten, dorthin zurückzuschicken, wo sie in Wirklichkeit hingehören. Sondern es findet Entwurzelung statt – vor allem, wenn Kinder mit abgeschoben werden sollen, die einen Großteil ihres Lebens in Österreich verbracht haben.

Genau das droht derzeit in zwei weiteren Fällen: Im niederösterreichischen Ennsdorf hat eine sechsköpfige albanisch-mazedonische Familie, die seit vier Jahren in Österreich lebt, Samstag vor einer Woche ihren Asylnegativbescheid erhalten. Samt rechtskräftiger Ausweisung und der Anordnung, Österreich binnen 14 Tagen zu verlassen.

Hoher Integrationsgrad

Angesichts des hohen Integrationsgrads der Familie (der zusammen mit der Asylentscheidung geprüft werden muss) können das im Ort viele nicht verstehen: Der Mann, ein Koch, arbeitet seit längerem in einer Raststätte. Er ist einer der wenigen AsylwerberInnen, die es trotz massiver Einschränkung des Arbeitsmarktzugangs für AsylwerberInnen geschafft haben, in der Gastronomie einen guten Job zu ergattern. Die Kinder gehen in Schule und Kindergarten, sprechen besser Deutsch als Albanisch.

Doch wie sieht das der Asylgerichtshof?: Die Kinder seien jung genug, sie könnten sich auch woanders anpassen. Da klagen viele über die mangelnde Integrationsbereitschaft von AusländerInnen. Schaffen es manche dann trotz Widerständen doch, so sollen sie aus Österreich hinausgeworfen werden.

Die Zwangsausreise, und zwar schon kommenden Dienstag, steht auch einer armenischen Familie bevor, die im burgenländischen Pinkafeld lebte. Seit 2009 in Österreich, waren die Simonyans aufgrund ihrer Asylablehnung Freitagmorgen auf Geheiß der Oberwarter Bezirkshauptmannschaft aus ihrer Wohnung geholt worden. Obwohl der Vater, von Beruf Polizist, beteuert, in Armenien in Gefahr zu sein: Er habe 2008 einen Politiker verhaftet, dessen Anhänger ihm Rache geschworen hätten.

Land als letzte Hoffnung

Nun sitzen alle fünf in Schubhaft, die Eltern von den halbwüchsigen Kindern getrennt. Die letzte Hoffnung liegt bei den Landesbehörden – so wie im Ennsdorfer Fall auch. Doch in Bezug auf diesen war am Freitag aus dem Büro von Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) zu hören, dass man dort keine Kompetenzen zum Einschreiten habe. (Irene Brickner, derStandard.at, 25.5.2013)