Die Arbeiterkammer fährt jetzt wieder im TV ihre Kampagne für mehr (Verteilungs-)Gerechtigkeit. Die Spots zeigen arme Arbeitnehmer, die sich fürchterlich anstrengen müssen, eine schiefe Ebene hinaufzukommen, und münden in den Slogan "Drei Millionen Stimmen für mehr Verteilungsgerechtigkeit".

Über die Frage, ob es die Aufgabe einer gesetzlichen Interessensvertretung (im Verfassungsrang) sein kann, eine sauteure Kampagne im Namen und mit den Beiträgen ihrer drei Millionen (Zwangs-)Mitglieder zu fahren, die praktisch deckungsgleich mit Wahlslogans der SPÖ ist, kann man durchaus diskutieren.

Man kann aber auch inhaltlich diskutieren. Angeregt durch den Hinweis eines älteren sozialdemokratischen Funktionärs, der sich zum Thema " Verteilung" seine eigenen Gedanken macht, blättern wir im "Sozialbericht 2011/2012 des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz". Dort wird in der Zusammenfassung im Kapitel " Entwicklung und Verteilung der Einkommen" berichtet, dass sich in den letzten Jahren bei den Bruttoeinkommen die Spanne zwischen untersten und obersten Einkommen weiter geöffnet habe.

Soweit, so konform mit der Verteilungsargumentation von Arbeiterkammer, SPÖ, Grünen, Gewerkschaft und Attac. Dann kommt aber ein bemerkenswerter Passus: "Trotz des Auseinanderdriftens der unteren und oberen personellen Erwerbseinkommen ist die Verteilung der verfügbaren Haushaltseinkommen in etwa konstant geblieben. Grunde dafür sind einerseits die Umverteilungswirkungen der Sozialtransfers und direkten Steuern, andererseits der höhere Beitrag der Frauen durch Erwerbsarbeit."

Und diese Umverteilungswirkung ist eklatant. Nimmt man die Bruttolohneinkommen in Prozent des Gesamteinkommens, so bekommt das unterste Einkommensfünftel 2,0 Prozent, das oberste Einkommensfünftel 47,4 Prozent. Die obersten 20 Prozent der Einkommen erzielen somit das 23,7-fache der untersten 20 Prozent oder fast die Hälfte aller Einkommen. Sehr ungleich, oder?

Aber, so stellt der Sozialbericht des Sozialministeriums auch fest, "bei Betrachtung der Einkommen auf Haushaltsebene" wird "durch Aktivitäten des Staates (Steuern und Sozialtransfers) die Verteilung der Bruttoeinkommen beträchtlich korrigiert".

Konkret heißt das, dass die verfügbaren Haushaltseinkommen nach Steuern und Transfers im untersten Fünftel elf Prozent aller Einkommen ausmachen und im obersten Einkommensfünftel 35 Prozent. Somit verringert sich durch staatliche Umverteilung die Spanne zwischen unterstem und oberstem Fünftel vom 23,7-Fachen auf das 3,2-Fache. Oder anders gesagt: Die verfügbaren Einkommen der untersten 20 Prozent werden durch Umverteilung um das 5,5-Fache angehoben, das verfügbare Einkommen der obersten 20 Prozent sinkt um 26 Prozent.

Was mit ein Grund ist, dass Österreich auch laut OECD zu den Ländern mit der gleichmäßigsten Einkommensverteilung gehört. Im Lichte dieser Tatsachen wäre dann auch die Umverteilungsdebatte zu führen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 24.5.2013)