Ingrid Kösten, Gründerin von Woman Success.

Foto: Woman Sucess

STANDARD: Frauen verdienen in Österreich - auch bei gleicher Qualifikation - häufig weniger als ihre männlichen Kollegen. In vielen Fällen auch, weil sie in Gehaltsverhandlungen zurückhaltender sind. Was machen Männer da besser?

Kösten: Männer spielen in Verhandlungen mehr. Sie wissen, in der Gehaltsverhandlung wird von beiden Seiten einmal ausgelotet, und sie gehen quasi mit ein bisschen Spielgeld in die Verhandlung. Sie wissen, dass es dabei auch darauf ankommt, dem Gegenüber einen gewissen Spielraum zu geben mit der klaren Zielsetzung: Das ist meine Leistung, das steht mir zu. Jetzt schauen wir, was drin ist. Frauen haben diesen spielerischen Zugang nicht.

STANDARD: Warum?

Kösten: Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer davon ist, dass Frauen ihre Leistung generell zu wenig darstellen. Für Frauen ist es selbstverständlich, dass sie einen guten Job machen, das muss ihrer Meinung nach nicht noch extra unterstrichen werden. Auch das uralte Bescheidenheitsmuster spielt hier eine Rolle und der Wunsch, dass der Vorgesetzte doch sehen müsste, dass ich gute Arbeit leiste. Nur: So ist es nicht, weil ein Vorgesetzter eine andere Zielrichtung hat.

STANDARD: Haben die verpflichtenden Gehaltsangaben in den Jobausschreibungen hier etwas gebracht?

Kösten: Leider muss ich feststellen, dass das Frauen nicht wirklich hilft. Es war ein gutes politisches Moment, und damit wurde eine gewisse Öffentlichkeit geschaffen. Aber in den Inseraten werden immer nur die kollektivvertraglichen Mindestgehälter angeführt, und Frauen, die sich auf eine Gehaltsverhandlung vorbereiten, schauen sich diese Gehälter als Basis ohnehin an.

STANDARD: Was würde es für einen quantitativen Sprung nach vorne brauchen?

Kösten: Einerseits gäbe es auf politischer Ebene Möglichkeiten, die Unternehmen stärker in ihre Pflicht zu nehmen, nämlich mit stärkeren Sanktionen bei Verstößen gegen das Gleichbehandlungsgesetz. Eine weitere Möglichkeit wäre auch, die Kollektivverträge gendergerechter zu formulieren. Aber auch die Unternehmen selbst könnten dabei eine wichtigere Rolle spielen, indem sie die innerbetriebliche Gleichstellung ernster nehmen und beispielsweise Frauen beim Zugang zu interner und externer Weiterbildung stärker fördern.

STANDARD: Warum trauen sich Frauen weniger bei Gehaltsverhandlungen?

Kösten: Was ich immer wieder feststelle, ist, dass Frauen fantastische Verhandlerinnen sind, wenn sie Geld für andere verhandeln, weil sie ein sehr flexibles Verständnis haben, den Nutzen für die Gegenseite herauszustreichen. Sobald es aber um ihre Erfahrungen und Kompetenzen geht, ist diese Selbstverständlichkeit nicht mehr gegeben. Das hat einerseits mit dem historischen Rucksack, den Frauen mit sich tragen, zu tun. Früher war der Mann fürs Geldverdienen da, dafür hat ihm die Frau ein gemütliches Zuhause geboten. Andererseits hat das auch mit der Sozialisationsgeschichte von Frauen zu tun. Über Jahrhunderte wurden wir darauf getrimmt, bescheiden, freundlich, lieb und nett sind. Aber damit irritieren wir niemanden. Wenn da ein Bruch passiert und die Frau argumentativ festlegen kann, worin ihre Mehrleistung besteht und warum eine Anpassung ihres Gehalts gerechtfertigt wäre, irritiert sie. Nur wird dieses Selbstbewusstsein gern mit sehr negativen Attributen wie karrieresüchtig oder geldgeil bewertet.

STANDARD: Wie geht man am besten in eine Gehaltsverhandlung?

Kösten: Vorbereitung ist ein ganz wesentliches Moment. Und hier ist Selbstreflexion ein wichtiger Punkt. Frauen fordern ja viel seltener eine Gehaltserhöhung als Männer. Und auf einer Liste der unangenehmsten Tätigkeiten steht an erster Stelle Zahnarztbesuch und an zweiter Stelle Gehaltsverhandlung. Sich damit auseinanderzusetzen, warum man sich schlecht fühlt, wenn man über das redet, was man geschaffen hat, ist eine wichtige Voraussetzung. Wenn man sich dieser inneren Barriere bewusst wird und das mit guter Vorbereitung und stringenter Argumentationstechnik verbindet, kommt man schon in die Richtung, wo etwas weitergeht. Beim Verhandeln selbst können Frauen viel von Männern lernen. Wichtig dabei ist - und das empfehle ich Frauen immer wieder -, die eigene Person vom Verhandlungsgegenstand zu trennen. Denn wenn man mit seiner Forderung so identifiziert ist, dann wird ein mögliches Nein des Gegenübers auch persönlich genommen, obwohl es ausschließlich die Forderung betroffen hat.

STANDARD: Geben sich Frauen schneller zufrieden?

Kösten: Es kann passieren, weil es so unangenehm ist. Das ist aber auch eine Frage der Vorbereitung. Weil man sich auch darauf vorbereiten muss, dass man nicht das bekommt, was man gefordert hat. Für diese Situation braucht es Alternativvorschläge wie beispielsweise eine bestimmte Weiterbildung, die man machen möchte. Das muss man sich auch vorher überlegen.

STANDARD: Ändert sich Ihrer Erfahrung nach das unangenehme Gefühl bei Gehaltsverhandlung mit zunehmendem Alter?

Kösten: Ja, das tut es, nur haben Frauen da schon weniger. Und der kleine Unterschied ist dann schon größer. (Gudrun Ostermann, ManagementStandard, 25./26.5.2013)