Drei Mal schon hat es einfärbige Champions-League-Finale gegeben. 2000 holte Real Madrid den Titel gegen Valencia, 2003 Milan gegen Juventus Turin, zuletzt 2008 Manchester United gegen Chelsea. Immer ist es dabei ums Fußballspielen oder wenigstens -kaufen gegangen. Das Politische spielte keine Rolle.

Das ist diesmal - beim deutsch-deutschen Gipfel im englischen Sakralort Wembley - etwas anders. Weil Deutschland immer noch etwas anderes ist. Etwas, dem bei Bedarf stets noch der historische Knüppelausdemsack droht, wie jüngst in seiner unvergleichlichen Art erst wieder Viktor Orbán, der wie ein Gespenst durch die europäische Gegenwart irrlichternde ungarische Premier, unter Beweis stellte.

Alles, was deutsche Stärke suggerieren könnte, kriegen viele gleich in die falsche Kehle. Auch viele Deutsche übrigens. Eine Twitter- und Facebook-Umfrage des ZDF nach dem geeignetsten Namen für den Londoner " Bundeskracher" (der als Zweiter auf 23 Prozent kam) ergab "el germánico" (36). Wenigstens die Bezeichnung - eine Reverenz an "el clásico" zwischen Real und Barça - solle nicht deutsch sein.

Das reflexartige Assoziieren rund um das deutsche Wesen ist gerade im ballesterischen Zusammenhang jammerschade. Denn es verstellt den Blick darauf, dass der deutsche Fußball seit längerem schon damit angefangen hat, einen eigenständigen Akzent zu entwickeln, der dem europäischen wenigstens eine Zeitlang auch als Lingua franca zur Verfügung stehen könnte.

Die spanische Dominanz scheint vorerst jedenfalls vorbei, auch wenn man im Bezug aufs Halbfinale schon auch das partielle Fehlen von Lionel Messi bedenken muss. Aber das Spiel Barcelonas, das als Rhythmusgeber auch der Nationalmannschaft gedient hat, scheint insgesamt an ein Ende gekommen zu sein.

Neigung zur Breite

Im Prinzip kommt das nicht überraschend. Das spanische Scheiberlspiel, das Tiki-Taka, hat wie jedes forcierte Kurzpassspiel die verhängnisvolle Neigung zur Breite. Beim FC Barcelona wurde das ins Extreme gedreht, da die Mannschaft völlig aufs Flügelspiel verzichtet hat.

Die Halbfinale zwischen Barça und Bayern waren veritable Lehrspiele, immerhin trafen da zwei Schulen aufeinander. Jene, die bereit ist, in Schönheit zu sterben, unterlag in zwei Partien mit 0:7 jener, die sich nicht scheute, in Schönheit zu töten.

Bayern, dieses Bayern, besticht durch eine zielgerichtete - und zielgenaue - Effizienz, die sich nicht nur, aber vor allem dem beispielgebenden Flügelspiel verdankt, in das links auch Österreichs David Alaba verwoben ist. Bayerns Formationen sind freilich ausgewogen. Die Münchner sind nicht offensiv oder defensiv, sondern beides gleichermaßen, weshalb es ihnen an guten Tagen gelingt, ihre Spiele wirklich planmäßig durchzuführen, ja zu deklamieren. Gegner Dortmund wirkt da manchmal vergleichsweise hektischer, was aber nicht minder einem Plan folgt. Nämlich dem des Ruck-zuck-Fußballs, der von weitem ein wenig dem gleicht, was Ernst Happel einst "spezifike Kontraattacks" genannt hat, in welche der dem Gegner abgepresste Ball in Windeseile nach vorn und möglichst ins Tor kommen soll.

Falls das deutsch-deutsche Finale tatsächlich eine Tonartänderung im europäischen Fußball ist, so darf man aus demnächst gegebenem Anlass an die erste große Wachablöse im europäischen Fußball erinnern, als zu Beginn der 1950er-Jahre die Ungarn alles und jeden in Grund und Boden gescheiberlt - getikitakert quasi - haben. Bei der WM 1954 allerdings wurden sie abgelöst. Der Ablöser hieß - genau, Deutschland.

"Das ist", rief Dichter Friedrich Torberg nach dem Finale, "das Ende der Poesie im Fußball!"

"Regen Sie sich nicht auf", erwiderte der Sportdichter Willy Meisl weitsichtig, "es ist nur das Ende des Hexameters." (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, 24.5.2013)