Wien - Unter dem Delikt "Beharrliche Verfolgung" vulgo Stalking haben meist Expartner zu leiden. Bei Irene T. ist das anders. Die einzige Verbindung zwischen ihr und der Angeklagten Nicole S. ist die Tatsache, dass die Chirurgin die 32-jährige S. vor Jahren einmal operiert hat.

Belästigung mit Anrufen und SMS

Im vergangenen Sommer begann die im Vorjahr einschlägig Vorbestrafte plötzlich, die Ärztin mit Anrufen und SMS zu belästigen. Warum, kann sie Richterin Bettina Körber eigentlich nicht sagen. "Gedankenübertragung" sei es vielleicht gewesen.

Die Aufforderung des Opfers, mit den teilweise mitternächtlichen Belästigungen aufzuhören, ignorierte S., stattdessen besorgte sie sich eine zweite SIM-Karte. Nach drei Monaten ging T. zur Polizei. "In den SMS waren wahnhafte Geschichten dabei, aber auch konkrete Aussagen, wie dass sie in meine Wohnung komme", schildert die Medizinerin.

Persönlichkeitsstörung diagnostiziert

Die psychiatrische Sachverständige Sigrun Rossmanith diagnostiziert bei der Angeklagten eine Persönlichkeitsstörung, aber Zurechnungsfähigkeit. Was Richterin Körber vor ein Problem stellt. Sie möchte eine Weisung erteilen, dass S. eine Therapie beginnen muss. "Das kann ich mir nicht leisten", sagt die Angeklagte. Auf mindestens einmal pro Monat einigt man sich schließlich.

Das nicht rechtskräftige Urteil: sechs Monate bedingt. "Ich gebe Ihnen eine allerallerletzte Chance. Es würde Ihnen und auch der Allgemeinheit nichts nutzen, wenn Sie ins Gefängnis kommen", meint Körber. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 24.5.2013)