Damenuhr? Herrenuhr? Das sollte man nicht so eng sehen. Längst verschwimmen die Grenzen. Allerdings nur in eine Richtung: Immer mehr Frauen entscheiden sich für Männermodelle - der vormals rein maskuline Zeitmesser wird zum Unisex-Modell. Ob dies aus emanzipatorischen Gründen geschieht, sei dahingestellt. Vielleicht hat das eher damit zu tun, dass das Angebot an mechanischen und komplizierten Damenuhren bisher überschaubar war.
Doch Frauen, so stellen Juweliere wie Hersteller fest, wollen keine Prinzessinnenuhren mehr, sie wollen mechanische Uhren. Sie wollen die Technik sehen und verstehen. Marc Deckenbrock von TAG Heuer drückt es so aus: "Das Pflänzchen, dass sich Frauen dafür interessieren, was in einer Uhr technisch vor sich geht, ist noch sehr klein, aber es wächst beständig." Den Hauptanteil des Umsatzes, 70 Prozent, macht die Marke zwar noch mit dezidiert männlichen Produkten wie der Carrera, die heuer ihren 50er feiert. "Nichtsdestotrotz machen Damenuhren bereits 30 Prozent unseres Umsatzes aus", fügt er hinzu. Und so forciert TAG Heuer seit 2012 seine feminine Seite, als Beispiel dafür darf die Link Lady Automatic gelten, die auf der Baselworld zu sehen war.
Verkleinerte Herrenprodukte
Auch auf dem Genfer Uhrensalon im Februar gab es Anzeichen, dass die Haute Horlogerie der wachsenden Gemeinde horophiler Damen komplexere Kaliber ans Handgelenk legen möchte. So verzichtete etwa die traditionsreiche Genfer Uhrenmanufaktur Vacheron Constantin gleich ganz darauf, Herrenmodelle vorzustellen, und präsentierte nur Damenuhren. Denn, so hieß es dort, die Armbanduhr sei ab Ende des 19. Jahrhunderts zunächst für Damen entwickelt worden, bevor auch Herren sie für sich entdeckten. Bereits 2012 präsentierte Breguet anlässlich des 200. Jahrestages der ersten Damen-Armbanduhr ein neues Uhrenmodell in der Kollektion "Reine de Naples". Schließlich hatte der Uhrmacher Louis-Abraham Breguet für Caroline Murat, Königin von Neapel, 1812 eine solche angefertigt.
Die Kritik, dass es sich bei Damenuhren um nichts anderes als verkleinerte Herrenuhren handle, die man einfach mit Diamanten besetze und dann solcher Art feminisiert teuer verkauft, kann Deckenbrock (naturgemäß) nur teilweise etwas abgewinnen: "Es stimmt, dass Damenuhren vielfach verkleinerte Herrenprodukte waren und sind, aber die Nachfrage nach derartigen Uhren besteht einfach", sagt er. Eine Uhr sei letztendlich auch ein modisches Accessoire - technische Finesse hin oder her.
Aber es ist wohl kein Zufall, dass Patek Philippe, eine der renommiertesten Uhrenmarken der Welt, im Jahr 2009 das erste selbstentwickelte Chronografenwerk der Manufaktur ausgerechnet in einer Damenuhr eingebaut hat. Der Namen dieses exklusiven Zeitmessers: "Ladies First". (Markus Böhm, Rondo, DER STANDARD, 24.5.2013)