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Kleiner Tipp: einfach mal über den Arno gehen – ruhig auch auf dem bekannten Ponte Vecchio. Drüben ist Florenz spannender als bei Dan Brown.

Foto: Jeremy Woodhouse/Corbis

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Anreise & Unterkunft

Flug Wien-Florenz zweimal täglich mit Austrian oder Niki oder mit den ÖBB-Nachtzügen EN 235 und EN 1237.

Hotel: zum Beispiel die Villa La Massa, zehn Kilometer südlich des Zentrums am Arno gelegen mit eigenem Shuttle-Bus.

Grafik: DER STANDARD

Aha, jetzt ist also Florenz an der Reihe. Dan Brown hat wieder einen Reiseführer geschrieben. In Inferno, das in der vergangenen Woche eigentlich als Krimi erschien, jagt Brown seinen Helden Robert Langdon wie einen japanischen Touristen durch Venedig, Istanbul und vor allem durch die Stadt am Arno. "Ich haste entlang am Ufer des Flusses Arno, atemlos ... wende mich nach links in die Via di Castellani, suche meinen Weg nach Norden, drücke mich in die Schatten der Uffizien", lässt er Langdon gleich im Prolog raunen. Verständlich dieses Klagen, begeht doch Brown seit Sakrileg ein ebensolches, indem er seinen Protagonisten nur die ohnehin bekannten Sehenswürdigkeiten europäischer Städte zeigt ...

Uns ist das aber wurscht. Denn in Florenz muss man nichts anderes tun, als eine der Brücken zu überqueren – es kann auch die bekannteste, also der Ponte Vecchio sein -, um dann ohne die von Brown in die Uffizien geschickten Touristen zu flanieren. Wir befinden uns bereits "oltr-arno", also über dem Arno, in Vierteln, die von den Einheimischen auch Diladarno – jenseits des Arno – genannt werden; zum Beispiel in San Frediano, Santo Spirito oder San Niccolò.

In Inferno wird man über diese untouristischen Stadtteile kaum etwas lesen. Hier herrschten bis vor wenigen Jahrzehnten noch die Handwerker vor, wie in orientalischen Basaren und streng nach Zünften getrennt, teilweise auch auf der Gasse arbeitend. Heute gibt es nur noch rund 20 Prozent der einstigen Werkstätten, aber sie prägen immer noch den Charakter der Nachbarschaft.

So findet man hier zwar jede Menge gewöhnlicher Berufsgruppen wie Tapezierer, Tischler, Schmiede und Restauratoren. In einem der vielen Gewölbe wird allerdings noch der alten manieristischen Kunst der Anamorphosis gehuldigt. Dabei werden auf den ersten Blick grotesk verzerrte Objekte hergestellt, die erst durch die Spiegelung in einer Kugel ihre wahre Gestalt – ein Gesicht, einen Garten oder ein Schiff – offenbaren. Im Geschäft gleich daneben verwandelt ein offenbar Besessener Bücher mit weißer Übertünchung und artfremden Gegenständen wie Äxten, Stacheldraht und Totenköpfen in Ausstellungsstücke. Vis-à-vis wiederum bastelt man an den florentinischen handbemalten Schmuckschatullen.

Noch beeindruckender sind hier vielleicht nur die Artigianelli, ein von Papst Pius X. errichteter riesiger klosterähnlicher Gebäudekomplex, in dem all diesen Vertretern seltsamer und aussterbender Fertigkeiten Zuflucht gewährt wurde: Da wird Linoleum geschnitten, Papier gebunden, Marmor gewaschen und zersägt. Ebenso verblüffend die Entdeckung der Scagliola: Dabei wird in einer 500 Jahre alten Technik intarsierter Stuckmarmor aus Gips und Leim hergestellt.

Man hat sich freilich auch links des Arno, als Alternativer in Sachen Stadttour, eine Zwischenmahlzeit verdient. Diese kann man etwa bei einem der "trippai", den Kuttelhändlern und dem florentinischen Äquivalent zu Wiener Würstelständen, einnehmen. Kutteln zu essen ist dennoch feig, die gibt's nämlich schon überall. Mutiger hingegen: die Verkostung eines "lampredotto", einer merkwürdigen Spezialität, die aus unerfindlichen Gründen nur in Florenz und Umgebung verzehrt wird. Es handelt sich dabei um den vierten Magen des Rindes, also den Labmagen, der über 24 Stunden lang mit Tomaten, Zwiebeln und Petersilie gekocht und dann fein zerschnitten mit einer grünen, scharfen Kräutersauce in ein Panino gepackt wird. Klingt grauslich, schmeckt aber köstlich. Und echte Florentiner, denen man von der bestandenen Mutprobe erzählt, werden einen lebenslang ins Herz schließen.

Die zweite Besonderheit, die man mit Dan Brown am linken Ufer des Arno nicht abklappern wird, sind Gärten. Jedenfalls nicht jene, die weniger bekannt, dabei aber interessanter als der Giardino di Boboli sind. Selbst in Inferno wird der Boboli nicht rasend anregend beschrieben: "Langdon blickte nach links, wo hinter einer hohen Mauer ein Wald von Baumwipfeln zu sehen war. Der riesige Boboli-Garten ist eine beliebte Touristenattraktion", kann man da nachlesen.

Als deutlich aufregendere Alternative wäre etwa der Giardino Torrigiani zu nennen, der auf den ersten Blick einer Phantasmagorie entsprungen scheint: sieben Hektar englischer Landschaftsgarten, übersät mit Freimaurersymbolik, noch immer benutzt von der Familie Torrigiani, und nur durch niedrige Mauern von der Stadt getrennt. Einzige Hürde: Der Garten ist eigentlich nicht öffentlich zugänglich, doch nach Voranmeldung lassen sich Ausnahmen machen.

Völlig unkompliziert begehbar – das heißt, gegen die Entrichtung eines Eintrittspreises – ist das zweite grüne Juwel links des Arno: der Giardino Bardini. Angelegt von einem reichen Kunstsammler, verfiel er jahrzehntelang aufgrund kompliziertester Erbschaftsstreitigkeiten. Zuletzt reichten sich die Schweiz, der Vatikan und der italienische Staat die heiße Kartoffel weiter, bis es endlich der lokalen Sparkasse gemeinsam mit der Landschaftsarchitektin Mariachiara Pozzana gelang, diese Oase zu revitalisieren.

Dadurch kommt man heute nicht nur in den Genuss des Besuchs der Bardini-Herrschaftsvilla, sondern auch an eine spektakuläre Aussicht auf den Dom und die Altstadt. Folgt man zudem den Spuren der Italienerin Pozzana – und nicht jenen des Amerikaners Brown -, führen diese auch in ein Hotel, das im Gegensatz zur imaginären "Pensione la Fiorentina" aus Inferno auch tatsächlich Gäste beherbergt: Rund um die Villa La Massa, etwas südlich vom Zentrum und ebenfalls am Arno gelegen, ist Pozzana gerade dabei, jene private Parkanlage zu erweitern, die schon jetzt zu den besten Gartengeheimtipps außerhalb der Stadtgrenzen zählt.

Sundowner bei den Ruderern Wenn man davor noch den unteren Ausgang der Bardini-Anlage benützt, ist man wieder rasch am innerstädtischen Arno-Ufer, um sich etwa im Golden View den wohlverdienten Sundowner zu genehmigen. Natürlich mit Blick auf den Ponte Vecchio – und den nur wenige Schritte von der überlaufensten aller Florentiner Sehenswürdigkeiten entfernten Ruderclub. Er gilt als eine echte Institution in Florenz, die auch Dan Brown auf seinem Weg in die Uffizien beeindruckt haben muss. "Sie bemerkte ein Vierer-Ruderboot, das den Fluss hinunterkam und unter der Brücke hindurchglitt. Auf dem Rumpf stand Società Canottieri Firenze – Ruderclub Florenz. Die rot-weißen Ruder des Bootes bewegten sich in perfekter Synchronie durch das Wasser", lässt er eine Protagonistin über das nicht ganz so abgelatschte Florenz staunen. (Robert Quitta, Rondo, DER STANDARD, 24.5.2013)