Zwei Methoden, zwei unterschiedliche Ergebnisse. Die ÖWA gebraucht Technik, AIR vertraut menschlichem Gedächtnis.

Grafik: DER STANDARD
Letzter Schrei ist die "Usetime": Damit misst die Österreichische Webanalyse (ÖWA) die durchschnittliche Verweildauer eines Besuchs im Netz. Und komplettiert damit vorläufig einen mitunter verwirrenden Salat aus Zahlen und Begriffen, der für den Normalverbraucher nur noch schwer nachvollziehbar ist.

Besuche und Seitenaufrufe

"Auf Krone.at wird deutlich länger gesurft als bei den anderen Medienportalen", jubelte etwa die Kronen Zeitung nach Veröffentlichung der letzten ÖWA. Durchschnittlich 13 Minuten lang lese demnach ein User die "Krone" im Internet. Die beeindruckende Zahl schrumpft bei näherer Betrachtung freilich in sich zusammen. Zieht man die Seitenaufrufe in Relation zur Verweildauer, wie lange ein User sich auf einer einzelnen Seite befindet, bleiben gerade neun Sekunden über. Zum Vergleich: derStandard.at kommt auf 1,20 Minuten.

Die ÖWA erscheint monatlich. Erhoben werden neben Verweildauer Nutzer ("Unique Clients"), Besuche ("Visits") und Seitenaufrufe ("Page Impressions"). Wer etwa vormittags einmal und am Abend noch mal im Netz surft und dabei je drei Seiten aufruft, zählt nach ÖWA-Definition genau als ein Unique Client mit zwei Besuchen und sechs Seitenaufrufen.

Fragebogen

Zu völlig unterschiedlichen Daten als die ÖWA gelangt der vom ORF in Auftrag gegebene Austrian Internet Radar (AIR). Aon.at etwa kam im Juni laut ÖWA auf 1,2 Millionen Usern (s. Tabelle), AIR bescheinigt dem Portal nur 627.000. Umgekehrt zählt laut AIR ORFOn herzeigbare zwei Millionen User, die ÖWA 300.000 weniger. Grund für die Verschiebungen: Der halbjährlich erscheinende AIR ermittelt per Fragebogen, die ÖWA mittels im PC installierter Software.

Die Vor- und Nachteile

Die Vermutung, die Technik habe das untrüglichere Gedächtnis als ein Internet-User aus Fleisch und Blut, weist ORF-Medienforscher Jo Adlbrecht auf STANDARD-Anfrage denn auch nicht direkt zurück: "Das ist der Nachteil der Methode." Kritiker meinen allerdings, dass bei der ein und vier Wochen zurückreichenden Befragung vor allem Marken mit auffälligen Logos bleibende Erinnerungen hinterlassen und deshalb von der AIR-Methode profitieren.

Im ORF sieht man das eher als Vorteil: "Wir haben es mit tatsächlichen Personen zu tun", meint Adlbrecht. Mit zusätzlicher Software könne so ein aussagekräftiges Nutzerprofil erstellt werden.

Eher nicht zum Nachteil präsentiert sich Auftraggeber ORF denn auch im AIR: Durch die Segmentierung in Unterseiten (von news über games bis zu debatte) belegt er im Medienranking von 30 Plätzen ganze 17 selbst. Der ORF meint, man könne all die Subseiten einzeln aufrufen. derStandard.at/Etat wurde diese Großzügigkeit nicht zuteil. (Doris Priesching/DER STANDARD; Printausgabe, 19./20.7.2003)