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Will nicht laut werden: Julia Fabényi  löst den regierungskritischen bisherigen Leiter des Budapester Ludwig-Museums, Barnabás Bencsik, ab.

Foto: apa / EPA/Ferenc Kalmandy

Sie möchte insbesondere auch österreichische Kunst zeigen - kritische Kommentare zur ungarischen Politik sind von ihr nicht zu erwarten.

Budapest - Soll mit dem Ludwig-Museum in Budapest nun auch eine der letzten großen Institutionen für zeitgenössische Kunst in Ungarn politisch gleichgeschaltet werden - und damit automatisch an internationaler Relevanz verlieren? Eine kritische Budapester Kunstszene befürchtet genau dies und besetzte Mitte Mai vorübergehend das Museum.

Vordergründiger Anlass der Proteste waren die Ausschreibungsmodalitäten für den Leiterposten, die nach Ansicht der Kritiker insbesondere gegen den bisherigen Direktor Barnabás Bencsik gerichtet waren. Bencsik, Jahrgang 1964, hatte durchaus erfolgreich in den vergangenen fünf Jahren das Museum geleitet, das 1989 auf Basis einer Schenkung der deutschen Kunstsammler Irene und Peter Ludwig entstanden war.

Das zuständige Ressourcenministerium ließ sich vom Widerstand jedoch nicht beeindrucken: Am Dienstag wurde bekannt, dass die von offizieller Seite favorisierte Julia Fabényi die Institution übernehmen wird. Dabei hatte die 59-jährige Kunsthistorikerin, die in der Vergangenheit die Budapester Kunsthalle geleitet hatte und im Ausland etwa mit der Neuen Galerie in Graz oder dem ZKM in Karlsruhe kooperiert hatte, zuletzt als Leiterin eines Regionalmuseums in Pécs eher in der ungarischen Landesliga gespielt.

Auch ihr elfseitiges Bewerbungskonzept war bescheiden ausgefallen - Konkurrent Bencsik hatte viel detailliertere Pläne eingereicht und sie auch öffentlich diskutieren lassen. Bei einer regierungslastig besetzten Auswahljury hatte er damit jedoch keine Chance. Und selbst die deutsche Stiftung Ludwig, die in der Vergangenheit als wichtige Leihgeberin des Museums in Personalfragen involviert worden war, wurde vergangene Woche vom Ressourcenministerium praktisch vor vollendete Tatsachen gestellt.

Bencsik galt als einer der letzten wichtigen Museumsdirektoren des Landes, die aus ihrer kritischen Haltung gegenüber einer zunehmend patriotisch orientierten Kulturpolitik kein Hehl machten. Anders Fabényi: Auf die Frage, ob und wann sie die Kulturpolitik zuletzt öffentlich kritisiert habe, antwortete sie: "Es ist nicht Aufgabe des Leiters einer Institution, auf der Straße laut zu werden."

Ein außergewöhnlicher Drall nach rechts oder rechts außen wird der Neodirektorin aber nicht vorgeworfen, sie ist nicht Mitglied der regierenden Fidesz von Premierminister Viktor Orbán. "Unter normalen Umständen wäre sie kein Grund, ein Museum zu besetzen", erklärt ein österreichischer Kenner der ungarischen Kunstszene, der aber anonym bleiben möchte.

Gleichschaltung

Nach endlosen Budgetkürzungen, wichtigen Personalentscheidungen im Kulturbetrieb, die sich vor allem als fortschreitende patriotische Gleichschaltung interpretieren lassen, und der angekündigten Übernahme staatli-cher Subventionsentscheidungen durch eine fragwürdige rechtsnationalistische Kunstakademie MMA befindet sich die Kunstszene jedoch im Ausnahmezustand - und reagiert deshalb sehr sensibel auf die aktuellen Vorgänge in der Causa Ludwig-Museum und Fabényi. Denn die neue Direktorin, die insbesondere auch österreichische Kunst zeigen möchte, verliert auf Nachfrage kein kritisches Wort über die geplante Rolle der Kunstakademie. Zu den Protesten im Vorfeld ihrer Ernennung meint sie lapidar: "Eine Gruppe von Künstlern in Budapest sieht einen kulturellen Identitätsverlust - dabei verlässt lediglich ein Direktor nach fünf Jahren seinen Posten."

Diese Art der Einschätzung sei jedoch nicht für ganz Ungarn charakteristisch, erklärt sie, auf dem Land sei das kulturelle Leben nicht derart polarisiert wie in der Hauptstadt. Freilich - in der ungarischen Provinz spielt eine international orientierte zeitgenössische Kunst auch keine größere Rolle.  (Herwig Höller, DER STANDARD, 23.5.2013)