Pfusch in der Arbeitszeit und Superkonditionen für die eigenen Mitarbeiter? Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt, in der Reintegra GmbH gibt es zum 30-Jahr-Jubiläum wenig zu feiern.

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Wien - Die Idee ist so einfach wie bestechend: Wenn Menschen mit psychischen Problemen nicht auch noch ihre Arbeitsfähigkeit verlieren sollen, muss ihnen der Arbeitsmarkt entgegenkommen. Stadt Wien und Wirtschaftskammer taten das vor 30 Jahren gemeinsam und gründeten die "Wiener geschützten Werkstätten". Psychisch Kranke können hier in verschiedenen handwerklichen Berufen tätig sein und so sanft wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden.

Der mittlerweile auf "Reintegra GmbH" getaufte gemeinnützige Verein ist eine Institution, auf die die Stadt theoretisch stolz sein könnte. Bei einem Jahresbudget von 3,7 Millionen Euro werden derzeit 260 psychisch Erkrankte beschäftigt. In den vergangenen drei Jahrzehnten arbeiteten 4000 psychisch kranke Menschen hier, bei vielen gelang die Rückkehr in den "normalen" Arbeitsmarkt.

Geschäftsführer bestreitet Vorwürfe

Praktisch geht dort derzeit aber alles drunter und drüber. Wie "Profil" jüngst enthüllte, wird einem der zwei Geschäftsführer, Manfred S., vorgeworfen, er habe seine Klienten privat zu einer befreundeten Mitarbeiterin geschickt, um in deren Heim Sanierungsarbeiten zu erledigen - zu einem viel zu günstigen Preis. Die Arbeiten sollen zwei Monate gedauert haben, es seien aber wesentlich weniger Stunden verrechnet worden, heißt es in einer anonymen Anzeige, die dem STANDARD vorliegt. Der Geschäftsführer bestreitet das. Dennoch ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue.

Geschäftsführer S. ist derweil weiterhin im Amt. Für ihn gelte "selbstverständlich die Unschuldsvermutung", heißt es aus dem Büro der zuständigen Stadträtin Sonja Wehsely (SPÖ). Gleichzeitig wird betont, man habe schon Anfang April alle Kontrollmechanismen in Gang gesetzt.

Tatsächlich wies Wehsely den zweiten Geschäftsführer der Reintegra, Stefan B., an, er solle die Vorgänge intern prüfen. Der wandte sich darauf an das Kontrollamt, das die Unterlagen an die Staatsanwaltschaft sandte. An Geschäftsführer B. erging ein Schreiben, dass eine Kontrollamtsprüfung "derzeit nicht vorgesehen" sei. Ein Persilschein ist das aber nicht, denn, so heißt es darin: Es sei aus Sicht der städtischen Prüfer "zweckmäßig, ein internes Kontrollsystem aufzubauen".

"Diffuse" Anschuldigungen

Nicht zum ersten Mal tauchen Vorwürfe gegen Manfred S. auf. Schon 2011, als er zum Kogeschäftsführer der Reintegra ernannt wurde, wurden intern Anschuldigungen laut, er habe Klienten, die als Maler arbeiteten, während der Arbeitszeit für privaten Pfusch eingesetzt. Die Vorwürfe seien damals nicht publik geworden, weil S. alle Beteiligten mit Kündigung bedroht habe, sagten Zeugen der Staatsanwaltschaft. Allerdings gab S. am 2. November 2011 schriftlich die Weisung aus, dass Pfuschen in der Arbeitszeit verboten sei.

Der Leiter des Psychosozialen Dienstes (PSD), Georg Psota, macht sich für S.' Integrität stark. "Er würde für die Kranken sein letztes Hemd geben", sagt Psota. Psota vermutet eine Intrige. Seine Klienten liebten die Arbeit für die Reintegra, "noch nie hat einer von Ungereimtheiten erzählt". Stefan B., der Kogeschäftsführer von S., spricht von "einigermaßen diffusen Anschuldigungen". Er habe bei seinen internen Überprüfungen "kein schuldhaftes Verhalten" von S. feststellen können.

Stadträtin Wehsely ist vor allem an einer schnellen Aufklärung interessiert, damit der "exzellente Ruf des Vereins keinen Schaden nimmt". Politisch ist die Sache unangenehm. Anfang 2014 tritt das neue Invaliditätspensionsgesetz in Kraft. Dann haben allein in Wien zusätzlich 1900 psychisch kranke Personen Anspruch auf berufliche Rehabilitation. Reintegra hat sich für diese Aufgabe beworben. Zumindest die fachliche Expertise hätte der Verein. (Petra Stuiber, DER STANDARD, 23.5.2013)

Update:

Die Staatsanwaltschaft Wien hat Manfred S. am 9.12.2013 über die Einstellung des Verfahrens benachrichtigt. Die Begründung lautete: "Die Einstellung erfolgte, weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung besteht."