Thomas Rottenberg, "Schöne Schilder". € 14,90 / 144 S., Echomedia, Wien 2013

Cover: Echomedia

Normalerweise kennt man Thomas Rottenberg als wortgewandten Chronisten des Alltags - oszillierend zwischen detailliert recherchierten, von Engagement und sozialem Gewissen geprägten Reportagen und amüsant die Kunst der Äquilibristik von Empathie und Distanz zur Leichtigkeit hedonistischen Treibens beherrschend - auf der Bühne des STANDARD, diverser Print- und Onlinemedien sowie als eloquenten belesenen Fernsehmoderator. Mit den wachen Augen eines im Hier und Jetzt Verankerten dokumentierte er nun Schöne Schilder als Blütenlese kollektiver sowie subjektiver Missverständnisse. Unsinn und Irrtümer in Schaufenstern, auf Plakaten, Speisekarten und Prospekten entlarvend.

Ob nun "Toiletten aus hygienischen Gründen geschlossen" sind, Bildungsbürger die Contenance verlieren oder der "Nobelpreis für Literatur wieder lieferbar" ist: Ohne die Schöpfer der Hinweise und Verkündungen je zu desavouieren, verleitet Rottenberg zum Schmunzeln. Augenzwinkernd assoziativ mit Anmerkungen versehen ergeben die seriellen Fehler das Kaleidoskop einer Welt, die von unterschiedlichsten Einflüssen und Kulturkreisen geprägt ist. Im Furioso des oft unfreiwilligen Esperanto eröffnet sich ein analoger Dialog inmitten einer Ära digitaler Monologe. Anarchistisch in der Anordnung, amüsant im Wortwörtlichen - als neue Facette in den Fußstapfen von Maupin, Cesare Pavese oder Joseph Roth. (Gregor Auenhammer, Album, DER STANDARD, 18./19./20.5.2013)