Wien - Die vom Justizministerium geplante Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare ist im Begutachtungsverfahren auf Kritik gestoßen. Vor allem die Richtervereinigung, der ÖGB und das Frauenministerium beklagen, dass mit dem Entwurf von ÖVP-Justizministerin Beatrix Karl nur ein Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes (EGMR) umgesetzt, aber keine weitere Gleichstellung homosexueller Paare ermöglicht werde. Weitere Klarstellungen im Gesetzesentwurf fordern auch der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt und der Oberste Gerichtshof.

Gesetz soll schon im Juli in Kraft treten

Das Adoptionsrecht-Änderungsgesetz soll am 1. Juli in Kraft treten und sieht vor, dass die rechtliche Beziehung des leiblichen Elternteils zum Kind nicht (wie bisher) durch die Annahme durch dessen gleichgeschlechtliche/n PartnerIn aufgehoben wird. Es geht dabei nur um die Adoption von Stiefkindern, ein leibliches Kind von einem der PartnerInnen muss also schon vorhanden sein. Die reguläre Adoption bleibt weiterhin heterosexuellen EhepartnerInnen vorbehalten. Den Anstoß für die Änderung gab ein in Österreich lebendes lesbisches Paar. Es hatte beim EGMR gegen die Weigerung der heimischen Gerichte geklagt, der Adoption des Sohnes der einen Frau durch die andere zuzustimmen, ohne dass damit die rechtliche Beziehung der leiblichen Mutter zu dem Kind aufgehoben worden wäre. Mit ihrer Entscheidung erkannten die Straßburger RichterInnen eine Diskriminierung in Bezug auf unverheiratete heterosexuelle Paare. Keine Verletzung der Menschenrechtskonvention sahen die Richter dagegen im Vergleich zu verheirateten Paaren.

Völlige Gleichstellung mit heterosexuellen Eltern gefordert

Im Begutachtungsverfahren wurde zwar einhellig die Umsetzung des EGMR-Urteils begrüßt, gleichzeitig wurde aber eine weitergehende Gleichstellung von eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gefordert. So verlangt etwa der ÖGB ein "volles Adoptionsrecht". Gleichgeschlechtlichen Paaren soll ebenso wie heterosexuellen auch die Fremdkind- und die Sukzessivadoption ermöglicht werden. Bei letzterer geht es um Fälle, in denen einer der beiden PartnerInnen ein Kind adoptiert hat und auch der oder die andere Partner/in Adoptivmutter oder -vater werden möchte. Auch das Frauenministerium setzt sich für die Sukzessivadoption ein und sieht in der Nichtzulassung dieser eine Diskriminierung eingetragener PartnerInnen gegenüber EhepartnerInnen.

Oberster Gerichtshof befürchtet weitere Verurteilungen vor dem EGMR

Auch die Vereinigung der Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst meint, dass die politische Diskussion zur weitergehenden Angleichung des Adoptionsrechts von homosexuellen Paaren "im Hinblick auf eine Vermeidung von Diskriminierungen noch zu führen sein" werde. Der Verfassungsdienst im Kanzleramt macht darauf aufmerksam, dass für eine unterschiedliche Behandlung der verschiedengeschlechtlichen Ehe und der gleichgeschlechtlichen eingetragenen Partnerschaft aufgrund der sexuellen Orientierung laut EMRK besonders schwerwiegende Gründe vorliegen müssen. Deshalb sollte in den Erläuterungen zum Gesetzestext dargelegt werden, aus welchen schwerwiegenden Gründen eingetragenen PartnerInnen eine Sukzessivadoption verwehrt werde. Der Oberste Gerichtshof befürchtet, dass das Erreichen des Zieles, weitere Verurteilungen durch den EGMR zu verhindern, durch diesen Gesetzesentwurf erschwert werde.

Das Rechtskomitee Lambda plädiert dafür, die eingetragene Partnerschaft überhaupt zu beseitigen und das Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare aufzuheben. Auch Amnesty International beklagt die Diskriminierung lesbischer und schwuler Paare in Österreich. "Die österreichische Lösung ist wieder einmal nicht mehr als eine absolute Minimal-Variante. Nur die notwendigsten Änderungen werden umgesetzt, und auch nur weil uns der EGMR quasi dazu gezwungen hat", so der Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich. Es gebe keinerlei Gründe dafür, warum für homosexuelle Paare andere Regeln gelten sollten als für heterosexuelle.  (APA, red, dieStandard.at, 21.5.2013)