Der emeritierte Fleischer Max (Bruno Ganz, 2. v. li.) muss das Eindringen einer Frau (Emanuelle Seigner) in seine Männerwirtschaft erst verkraften lernen.

Foto: Ruth Walz

Wien - Der Haushalt des emeritierten Fleischers Max (Bruno Ganz) bildet ein wenig einladendes Universum. Der von Johannes Schütz in die Halle E des Museumsquartiers gebaute Bungalow zerfällt in Nischen und Winkel. Max ist ein zäher Tyrann mit widerborstigem Haar. In seiner Londoner Absteige, in der sogar ein Wohnwagen geparkt ist, wird ein makellos schönes Französisch gesprochen.

Luc Bondy hat Harold Pinters Le Retour (Die Heimkehr) am Pariser Odéon-Théâtre bereits im Oktober 2012 inszeniert. Die Aufführung bildet das vorletzte Abschiedsgeschenk des Festwochen-Intendanten an die Wiener. Und sie hält sich mit gröberen Bedenken nicht auf.

Pinters (1930-2009) heimtückischer Zimmer-Küchen-Kabinett-Realismus wird zum Starvehikel hochpoetisiert. Der Schmutz und die Niedertracht dieser Männergesellschaft von 1964 landen Körnchen für Körnchen auf der Apothekerwaage. Kein Detail lässt darauf schließen, dass The Homecoming - so der britische Originaltitel - eigentlich von einer Katastrophe erzählt. Max' Frau, die verstorbene Jessie, gebar ihrem Gemahl einst drei Söhne. Sie selbst war allen Männern gegen Geld zu Willen. Der sie eigentlich liebte und beschützte, war Max' passiver Bruder Sam (Pascal Greggory). Sam lebt als Faktotum mit bizarrem Haarteil im Schoß der Familie. Dort löst er Kreuzworträtsel und lässt die lästerlichen Reden des Sippenältesten resigniert über sich ergehen. Doch ohne "Mutter-Hure" Jessie ist keine ordentliche Familienstruktur möglich.

Die Söhne (Micha Lescot, Louis Garrel) sind entweder einfältig (Garrel) oder missraten (Lescot). Zwar polieren sie, wenn es sein muss, die Holme des Treppengeländers. Das wirkt dann aber so, als würden sie sich selbst befriedigen. Hier, in Pinters Katastrophenlandschaft, fehlt eindeutig die zupackende Hand einer Frau.

Die Heimkehr des Ältesten (Jérôme Kircher) nach sechs Jahren Abwesenheit schafft insofern Abhilfe, als dieser seine Frau (Emanuelle Seigner) nach Hause mitbringt. Ruth mit der blonden Turmfrisur zeigt sehr viel Bein. Ruth ist nicht nur die Gattin eines Philosophiedozenten, sondern wirkte einst als Aktmodell. Es entsteht das Tropenklima einer ungesunden kollektiven Vertraulichkeit. Genauer gesagt: Es könnte ein derartiges Klima entstehen.

Bondy hat alle Nischen und Winkel gleichmäßig gut ausgeleuchtet. Man könnte auch sagen: Er hat sich dem flackernden Wahnsinn dieser Sprechpartitur verweigert. Die Ferkeleien und Anzüglichkeiten sind nicht der Rede wert. Und Ganz, dieser Gigant der Schauspielkunst, gibt seinen rüden Göttervater als sehnigen, lauteren Kauz. Sehr liebenswürdig, das alles. Vielleicht auch eine Spur zu lieb. Großer Beifall. (Ronald Pohl, DER STANDARD, 21.5.2013)