Verständlich, dass dem "Kurier" der Vorsprung, den sich die "Kronen Zeitung" innerhalb der Mediaprint in Sachen künstlicher Habsburger-Beatmung hart erarbeitet hat, ein Dorn im nostalgischen Auge ist. Als Sonntag in der "Krone bunt" Dieter Kindermann von Gudula Walterskirchen abschrieb, "was die Hofdamen hinter den Tapetentüren der Hofburg erlebt haben", nämlich überwiegend lähmende Langeweile, konnte der "Kurier" "das letzte Habsburg-Rätsel" lösen und damit zurückschlagen – Dan Brown nichts dagegen. Beteiligt an der verwickelten Geschichte sind am Rande Erzherzog Rudolf und seine Cousine Maria Antonia, "erste Frau" sowie Mutter eines Sohnes namens Carl Rudolf aus geheimer Ehe, ferner derselbe als Robert Pachmann, weil ausgelagert, als der Kronprinz als Bigamist auf eine Belgierin umsattelte. Dann dessen Sohn Theodor Rudolf Pachmann, dessen Sohn Rainer Pachmann sowie dessen Halbbruder Franz Stephan Salvator Hübsch. Und im Zentrum von allem der Rätsellöser und Zeitgeschichte-Redakteur des "Kurier".

Kaum hatte die Monarchie ausgehaucht, "begann Robert Pachmann, der ja eigentlich Carl Rudolf hieß, seiner Herkunft nachzugehen – sehr zum Unbehagen der Familie Habsburg, die damals ihre Rückkehr auf den Thron noch nicht abgeschrieben hatte". Verständlich, dass sie mit einem Thronanwärter Robert I. Pachmann keine Freude haben konnte. Der kämpfte jahrelang, wenn schon nicht um die verflossene Kaiserwürde, so wenigstens um seine Rangerhöhung als legitimer Chef aller Habsburger, heiratete aber schließlich leicht unter seinem Stand eine gewisse Amalie Sramek.

Die Zweite Republik musste kommen und mit ihr zwei Gerichte, die dem Sohn Theodor Rudolf endlich das Habsburgerblut bestätigten. "Dem Richterspruch von 1965, mit dem Pachmann die Führung seines bisherigen Familiennamens Pachmann untersagt wurde, folgte ein zweiter Bescheid, der es ihm ermöglichte, den Namen Habsburg-Lothringen zu führen". Obwohl er davon keinen Gebrauch machte und sich offenbar gesetzwidrig weiterhin als Pachmann ausgab, löste das Urteil laut "Kurier" ein riesiges Medienecho aus: "Weltweit wurde Pachmann als "neuer Erzherzog" und " Oberhaupt des Hauses Habsburg" gefeiert." Wozu das amtierende Oberhaupt Otto nicht einmal ein Ohrwaschel rührte.

Mit Karl, dem Kronenschmuggler, hätten die Söhne Rainer Pachmann und Franz Stephan Salvator Hübsch leichteres Spiel gehabt, hätten sie nicht einen schweren Fehler begangen. "Hübsch wandte sich an die Zeitgeschichte-Redaktion des "Kurier", weil er endlich wissen wollte, was von dem nie bewiesenen, aber durch Indizien und Gerichtsurteile bestätigten Verwandtschaftsverhältnis zu halten sei." Die unhabsburgische Neugier sollte sich rächen. Als der Zeitgeschichte-Redakteur, immer auf der Höhe der Zeitgeschichte, "vor vier Wochen Georg Hohenberg, den Enkel des in Sarajewo ermordeten Thronfolgers Franz Ferdinand, interviewte – der natürlich mit Kaiser Franz Joseph und Kronprinz Rudolf blutsverwandt ist -, bat ich ihn um das Einverständnis, seine DNA-Daten mit denen der Herren Pachmann und Hübsch vergleichen zu dürfen."

Für die Zeitgeschichte ist kein Aufwand zu groß. "Hohenberg, dessen DNA bei der Sachverständigen für forensische Molekularbiologie Dr. Christa Nussbaumer aufliegt" – auf Vorrat? -, "war einverstanden, worauf Frau Dr. Nussbaumer bei den Halbbrüdern", deren DNA "bei der Sachverständigen" nicht auflag, "Mundhöhlenabstriche vornahm".

Der Streit zwischen Justiz und Gentechnik ging leider zuungunsten des Pachmann-Zweiges der Habsburger aus, ohne dass das Ergebnis bisher "ein riesiges Medienecho weltweit" ausgelöst hätte. Am "Kurier" lag dieser Mangel an Interesse nicht. Er schob der Doppelseite vom Sonntag am Montag eine weitere Seite nach: "Wie es im Fall Pachmann weitergeht". Endlich fand der Begriff Zeitgeschichte auch bildlich seine Erfüllung. Wir kennen alle die Tableaus, auf denen die Entwicklung des Menschen vom Australopithecus zum Homo sapiens dargestellt wird. Der "Kurier" bot eine zeitgeschichtliche Variante in Profil: von Kronprinz Rudolf über Carl Rudolf, Theodor Rudolf bis zu Rainer Rudolf Pachmann. Kein Grund für die Habsburger, beunruhigt zu sein.

Aber Vorsicht ist geboten. "Sollten die Brüder irgendwann dennoch recht bekommen, würden sie finanzielle Ansprüche anmelden". Für weitere Zeitgeschichten im "Kurier" ist also gesorgt. (Günter Traxler, DER STANDARD, 18./19./20.5.2013)