Arktis: Drei Viertel der Eisdecke sind weggeschmolzen.

Foto: Greenpeace/Jiri Rezac

Wien - "Die gute Nachricht: Es sind immer mehr Menschen, die aufstehen und sich zusammenschließen. Die schlechte Nachricht: Wir verlieren gerade die Schlacht. Wenn wir nicht sehr rasch reagieren, ist ein Plus von vier, fünf Grad noch vor Ende dieses Jahrhunderts die Realität", warnt Umweltaktivist Bill McKibben. Sein Impulsreferat wurde Donnerstagabend per Skype in den Kleinen Redoutensaal übertragen, in den rund 800 Teilnehmer zu den Erdgesprächen 2013 geströmt waren.

Nur noch wenig Zeit

Dieser Kampf gegen den rasanten Klimawandel sei längst keine Frage der Technik mehr - im Grunde gehe es jetzt vor allem darum, "gemeinsam aufzustehen und Widerstand gegen die Ölindustrie zu leisten". Und hier noch einmal die "gute Nachricht" McKibbens: "Überall regt sich Widerstand." Seine 350.org-Bewegung habe sich sehr rasch entwickelt und organisiert nun weltweit Proteste und Demonstrationen.

Voranschreitende Arktis-Schmelze

Das Problem sei aber: In früheren Zeiten seien soziale Veränderungen - wie etwa der Widerstand gegen Rassismus, Diskriminierung oder Sexismus - über Jahrzehnte, Jahrhunderte hinweg vonstattengegangen. Doch so viel Zeit bleibt diesmal nicht. Das dokumentierte auch Alexander Egit, Greenpeace-Geschäftsführer für Zentral- und Osteuropa, eindringlich bei den Erdgesprächen: "In der Arktis schreitet die Schmelze doppelt so schnell voran wie im Rest der Welt. In nur 30 Jahren sind drei Viertel der Eisdecke weggeschmolzen."

Dazu kämen jetzt die geplanten Ölförderungen in der Arktis - "dabei werden dort nur 90 Milliarden Barrel Öl vermutet - das klingt nach viel, ist aber nur der Weltjahresbedarf von drei Jahren", erläutert Egit. Österreich dürfe keine Exportförderung und Garantien für Firmen gewähren, die bei der fossilen Arktis-Exploration mitmachen.

"Klimaschonende" Atomenergie?

Eine weitere Bedrohung für den Umstieg auf erneuerbare Energieträger: Kommende Woche wird beim Gipfel des Europäischen Rats beraten, ob Atomenergie als klimaschonende Technologie anerkannt wird. "Wenn das eintritt, wäre das der Todesstoß für die Erneuerbaren", warnt Egit: Denn dann könnten Atomkraftwerke ganz legal subventioniert werden.

Und die Atomindustrie bekomme in Europa schon jetzt Milliarden-Unterstützungen. Österreich müsse generell wieder Vorreiter in Umweltfragen werden, fordert Egit - etwa mit einem generellen Pestizidverbot, das über das teilweise und temporäre Verbot der EU hinausginge.

Initiierung eines Ökozid-Gesetzes

In die gleiche Kerbe schlägt die Umweltaktivistin Polly Higgins: Österreich könnte als erstes Land weltweit ein Ökozid-Gesetz bei der Uno initiieren. Ein Gesetz, mit dem schwere Umweltverbrechen vor dem Internationalen Gerichtshof angeklagt werden könnten (der Standard berichtete). Die Erde sei ein lebender Organismus - und wie früher die Sklaven würde heute die Erde gekauft, verkauft, ausgebeutet, misshandelt.

Auch damals hieß es wie heute, das sei eine Notwendigkeit, ohne das würde die Wirtschaft kollabieren. Es war übrigens 1815, dass ein grundsätzliches Verbot des afrikanischen Sklavenhandels beschlossen wurde - auf dem Wiener Kongress. Österreich könne mit einer Ökozid-Gesetzesinitiative an eine große Vergangenheit anschließen. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, 18./19.20.5.2013)