Marseille - Nach einmonatiger Verhandlung ist im südfranzösischen Marseille der Betrugsprozess zum weltweiten Skandal um die Billig-Brustimplantate der Firma PIP zu Ende gegangen. Der Anwalt von Firmengründer Jean-Claude Mas forderte am Freitag einen teilweisen Freispruch für seinen Mandanten. Ein Urteil gegen Mas und vier ebenfalls angeklagte frühere Mitarbeiter soll erst am 10. Dezember bekanntgegeben werden.

Gutachten hätten gezeigt, dass von dem in den Brustimplantaten verwendeten Billig-Silikon "überhaupt keine Gefahr" ausgehe, sagte Anwalt Yves Haddad in seinem Schlussplädoyer. Daher könne nicht von "schwerer" Täuschung die Rede sein, wie die Staatsanwaltschaft es Mas vorwirft.

PIP hatte weltweit hunderttausende Brustimplantate verkauft, die mit nicht für die Einlagen zugelassenem Industriesilikon gefüllt wurden. Die Billigkissen reißen häufiger und rufen Entzündungen hervor. Allein in Deutschland sind etwa 5.000 Frauen betroffen. In dem Verfahren in Marseille traten 7.400 betroffene Frauen als Nebenklägerinnen auf - darunter 73 Österreicherinnen in einer Sammelintervention des Vereins für Konsumenteninformation (VKI).

Kein Zweifel: PIP-Einlagen reißen

Im Verlauf des Prozesses hatte Mas wie schon im Polizeiverhör gestanden, seine Brust-Implantate mit dem hausgemachten Billig-Gel gefüllt zu haben. Er widerrief aber seine frühere Aussage, wonach er die Kontrolleure des TÜV Rheinland absichtlich hinters Licht geführt habe. Der TÜV hatte die Implantate europaweit zertifiziert. Mas bestritt auch, dass seine Produkte gesundheitsschädlich gewesen seien.

Tatsächlich hatte in mehreren Studien, über die während des Prozesses beraten wurde, keine Giftigkeit des PIP-Gels nachgewiesen werden können. Keine Zweifel aber gibt es daran, dass die PIP-Einlagen öfter reißen und Entzündungen drohen, weshalb die Implantate häufiger wieder herausoperiert werden mussten.

Staatsanwalt fordert vier Jahre Haft für Mas

Staatsanwalt Jacques Dallest forderte für den 73-jährigen Mas eine vierjährige Haftstrafe, eine Geldstrafe von 100.000 Euro sowie das Verbot, im Medizin- oder Gesundheitsbereich tätig zu sein und ein Unternehmen zu führen. Die mögliche Höchststrafe für den Vorwurf der schweren Täuschung und des Betruges hätte bei fünf Jahren gelegen. Für die vier Mitangeklagten von Mas forderte Dallest Haftstrafen zwischen sechs Monaten und zwei Jahren.

Am Freitag machte von den fünf Angeklagten nur Firmengründer Mas von seinem Recht Gebrauch, sich noch einmal vor Gericht zu äußern. "Ein großer Prozentsatz der Opfer hat (das eigentlich zu verwendende) Nusil-Gel in den Implantaten", sagte Mas. Sein eigenes Gel sei aber "nicht giftig, nicht gefährlich". An seine vier Mitangeklagten gerichtet sagte Mas, er bedaure, wie es mit der Firma PIP zu Ende gegangen sei.

PIP ging pleite

Der Schwindel war 2010 bei einer Kontrolle durch die französische Medizinprodukteaufsicht aufgeflogen, danach ging die Firma PIP pleite. Unklar ist daher, von wem die betroffenen Frauen entschädigt werden könnten. Gegen Mas laufen in Frankreich noch zwei andere Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Tötung sowie wegen betrügerischen Bankrotts.

Im südfranzösischen Toulon läuft zudem ein Zivilprozess, bei dem betroffene Patientinnen und Händler vom TÜV 50 Millionen Euro wegen mangelhafter Kontrollen verlangen. Der TÜV sieht sich selbst als Opfer eines gezielten Betrugs und argumentiert, seine Aufgabe sei es lediglich gewesen, den Herstellungsprozess zu kontrollieren und nicht die Produkte selbst. (APA, 17.5.2013)