Assistenzsystem einmal anders: VW assistiert dem MoMA pekuniär, das MoMA VW in den USA reputativ, Highlight der Kooperation: "Expo 1: New York".

Foto: der standard/stockinger

Spektakulär: Im Rain Room regnet's, ohne zu nässen (MoMA, Manhattan; bis 28. 7.).

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Das PS1, Schauplatz der "Expo 1: New York".

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Kurator und MoMA-PS1-Chef Klaus Biesenbach.

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Cinthia Marcelles Bagger-Endlosschleife "475 Volver" (2009).

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Ólafur Eliassons eiskaltes "Your waste of time".

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Gordon Matta-Clarks "Fresh Air Cart" (1972).

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"Colony" vom Architektenbüro Estudio a77.

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Der VW Dome 2 in Rockaway Beach beherbergt ein besonderes (kunstsoziales) Anliegen (bis 30. 6.).

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Den Trick könnte Audi sich von Volkswagen abschauen: Schnürlregen, der nicht nass macht. Würde deren Engagement als Sponsor der Salzburger Festspiele gleich um eine Komponente optimieren und die Schirme einsparen.

Wovon die Rede ist? Regen, der aus der psychedelischen Klangwolke fällt. Im Rain Room beim MoMA, Manhattan. Drinnen ballettieren Ballettler, ohne nass zu werden. Regen also nach Noli-me-tangere-Prinzip: Berühr mich nicht! Dank Bewegungsmeldern wird keiner nass, der Mensch bleibt regenfreie Zone, wo(hin) auch immer er sich bewegt, Tilda Swinton könnte ihr Schlaflager auch hier aufbauen, ab und an vielleicht ein Tropferl.

Von Heidegger zur Regeninstallation

Das provoziert eine Interpretation, die nicht etwa von einem revolutionären, von VW entwickelten Scheibenwischerkonzept handelt, sondern davon, dass Mensch und Natur einander nicht mehr berühren (müssen). Eben dies war ja eine Hybris-Hauptbotschaft des Projekts der Moderne in Form der Industrialisierung, der Mensch habe die Natur im Griff (und nicht umgekehrt oder wechselweise).

Wie sehr das gerade nicht der Fall ist, hat 1.) zum Beispiel Heidegger immer schon gesagt und thematisiert 2.) Expo 1: New York, besagte interaktive Rain-Room-Installation des Londoner Studios Random International ist nur der spektakulärste Teil dieses Events, und damit zu VW und MoMA.

Museum trifft Autohersteller

2011 ist das MoMA erstmals, darauf sind die Wolfsburger stolz, eine Kooperation mit einem Autohersteller eingegangen, unter dem gemeinsamen Nenner Bildung und Nachhaltigkeit. Expo 1: New York sehen beide als Höhepunkt der Kooperation, das Projekt spielt an drei Orten: direkt am Hauptsitz selbst, wie gesagt, dann (Hauptteil) drüben in Queens in der Dependance PS1 und schließlich am vom Hurrican Sandy verwüsteten Rockaway Beach, draußen beim Flughafen JFK, im VW Dome 2.

JFK? Dort frug der Officer bei der Immigration: "Was? Kooperation MoMA und VW? Wollen die da etwa Autos zeigen?" - "Um das rauszufinden, bin ich hier." Und PS1? Das, könnte unsereins besagtem Officer nun berichten, meint nicht etwa 1-PS-Droschken, sondern steht für Public School One. War nämlich früher eine Schule und wird seit 2009 genutzt als MoMA-Expositur. Deren Chef heißt Klaus Biesenbach. Gemeinsam mit Hans-Ulrich Obrist (Serpentine Gallery, London) erarbeitete er ein Konzept, das sich den "ökologischen Herausforderungen unserer Zeit" und "gesellschaftlichen Umwälzungen in großen Teilen der Welt" stellen wolle, "es weltet" also, frei nach Heidegger.

Dunkler Optimismus

Rasch habe sich ferner, ergänzte Biesenbach bei der Pressekonferenz im PS1, "Dark Optimism" als Thema rauskristallisiert. Schöne Contradictio in Adjecto. Die Kunstszene mag so was ja. Irgendwie auch eine Anlehnung an Luthers Wort: "Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt zugrunde geht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen." Katastrophen rundum: Erdbeben, Vulkaneruptionen, Tsunamis, Sintfluten, Finanz-, Wirtschaftskrisen, Umweltdesaster - ergo, so Obrist, habe man "postapokalyptische Projekte" versammelt, in großer thematischer Breite. Postapokalyptisch? Ja, schon, aber mehr im Sinne und Stile der Mel-Gibson-Saga Mad Max, sagt der Beobachter.

Weiter im Text, wieder Biesenbach: Man zelebriere einen Schritt von der klassischen Kunstausstellung und performanceorientierten Kunst hin zur sozialen Praxis. Erweiterung des erweiterten Kunstbegriffs quasi. Diesmal - "aber das nächste Mal machen wir was zum Klimawandel", feixte der Deutsche, weil das sei nicht mehr normal, "gestern elf Grad, heute 26."

Modularer Kulturbaukasten

Kulturbaukasten Mastermind des Projekts ist auf VW-Seite Benita von Maltzahn, Chefin der 2012 innerhalb der Konzernkommunikation installierten Stabstelle für Gesellschaft und Kultur und damit Leiterin sozusagen des Modularen Kulturbaukastens (MKB), um den Konzernjargon zu persiflieren. In die Kooperation fließt jährlich ein Betrag in einstelliger Millionenhöhe, präziser will VW da nicht werden, jedenfalls ein Klacks im Vergleich zu den Fußball-Sponsorbeträgen.

Der in New York angeschlagene Grundton könnte bald zu einem harmonischen Dreiklang werden. Denn heuer noch werde das Engagement um eine Kooperation mit der Berliner Nationalgalerie ausgebaut, dann mit Chinas Nationalmuseum, verriet Maltzahn dem STANDARD, und da auch Synergien genutzt werden sollen, darf man sich auch auf hübsche Wanderausstellungen einstellen.

Demokratische Grundphilosophie

Das MoMA passe auch insofern prachtvoll, als es eine ähnlich demokratische Grundphilosophie verfolge. Kunst für alle hie, Autos für alle da. Oder so. Dass auch VW-Finanzchef Hans Dieter Pötsch, ein Österreicher übrigens, die Kooperation schätzt, bestätigt er sowohl im direkten Gespräch als auch mit der Ankündigung, sie werde mindestens zwei Jahre, bis 2015, verlängert. Klassische Win-win-Situation, meint Pötsch, VW sieht das als Investment in die Gesellschaft (und wohl auch in das Gedeihen des Konzerns).

Ein Autobauer, der sich derart publikumswirksam engagiert bei einem Kulturprojekt, das käme in Europa nicht gut rüber. Anders in USA, wo das Teil einer gewachsenen Tradition ist. Der Konzern wäre unklug, auf dieses Mittel zu verzichten, seine Reputation aufzumöbeln. "Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, auf dass dein Almosen verborgen sei", lehrte einst jener Mann, der dem christlichen Abendland sein Attribut verlieh. "Tue Gutes und sprich darüber", haben die Amis daraus gemacht - ein diametral entgegengesetzter Gestus, dessen sich nun auch VW befleißigt.

Legendäre Autokollektion

Für das MoMA wiederum steht die Welt der Mobile als solche bereits länger im Fokus des Interesses - sukzessive hat das Museum eine Car Collection aufgebaut, mit Fahrzeugen,die es für konzeptuell oder stilistisch exzeptionell hält, darunter Willys Jeep, VW Käfer, Jaguar E-Type und Smart Coupé.

Auch Ólafur Eliasson, damit zurück zur Expo 1, ist irgendwie "vorbelastet" - 2007 lieferte er einen Beitrag für BMWs Art-Car-Serie, BMW war damit angeblich nicht rundum glücklich, aber so ist das halt, das ganze Leben ist ein Risiko. Als Fingerzeig Richtung globaler Erwärmung hatte der gebürtige Isländer aus dem Wasserstoff-Forschungsfahrzeug H2R eine Eisskulptur gebastelt, Eis ist auch das Material seines Expo 1-Beitrags in Queens, die Installation heißt Your waste of time und besteht aus Eisblöcken, herausgebrochen aus dem isländischen Gletscher Vatnajökull.

Eiskalte Typen

Typen Da kommst du also rein in diesen weißen Raum, die Klimaanlage rasselt, du selbst bald auch, denn schlagartig haucht es dich eisig an, brrr, während es in einem assoziiert: Eisberge, Titanic, Gefrier- als Giermetapher, die eiskalten Finanztypen sind noch mal unserer Welt Untergang. Zeitverschwendung? 800 Jahre alt soll das Island-Eis sein. Da fällt einem auch der 4. Kreuzzug ein, 1204, als die Lateiner (Westen) dem byzantinischen Osten aus Gier den Garaus machten und das reiche Konstantinopel ausplünderten.

Dark Optimism und soziale Praxis sollen also die Expo 1-Leitfäden sein. Parallel wittert man weitere Subtextschienen, antike Elementlehre etwa, mit Feuer, Wasser, Erde, Luft. Rain Room und Eliassons Installation wären wässrige Beiträge, ein luftiger "Static" vom Briten Steve McQueen: Da wackelt Miss Liberty, bebt das Zwerchfell. Der Hubschrauber kreist um das Symbol des freien Amerika, filmt es in Großaufnahme, dazu aus den Lautsprechern ohrenbetäubender Heli-Lärm im dunklen Raum. Metaphorisch ambitioniert, wie die ganze Expo 1.

Fliegen indes, das ist jetzt mein Stichwort. Rasch auf zum JFK, der Officer will ja noch informiert sein. Und heimkommen muss der Mensch schließlich auch irgendwann einmal in seinem Leben. Ob mit oder ohne Volkswagen. (Andreas Stockinger, DER STANDARD, 17.5.2013)