Ökonom Bardt: Einen Handelsstreit mit China wegen Solarmodulen zu beginnen ist riskant.

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Hubertus Bardt vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln wünscht sich klarere Rahmenbedingungen bei der Energiewende. Günther Strobl hat nachgefragt.

STANDARD: Deutschland macht die Energiewende schwer zu schaffen, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), einst Vorbild auf der ganzen Welt, steht schwer in der Kritik.

Bardt: Wobei das EEG nur ein Element der Energiewende ist ...

STANDARD: ... aber ein Wichtiges.

Bardt: Klar. Der Begriff Energiewende ist nach Fukushima und dem Beschluss zum Ausstieg aus der Atomkraft in Mode gekommen. Die Vorarbeiten zum Umbau auf eine kohlenstoffarme Energieversorgung laufen sehr viel länger. Es gibt kein ähnlich großes Industrieland wie Deutschland, das seine Stromversorgung so grundlegend umgestellt hat. Deshalb ist das auch ein Ritt ins Dunkle.

STANDARD:In doch kurzer Zeit.

Bardt: Was den Kernenergieanteil angeht: ja, was den Ausbaupfad der Erneuerbaren betrifft: nein; das geht schließlich bis 2050.

STANDARD: Ist die Hauruck-Aktion beim Umbau des Energiesystems mit schuld an den nun auftretenden Problemen?

Bardt: Der Ausstieg aus der Kernenergie war eine spontane Reaktion auf Fukushima und die Stimmung, die damals in Deutschland geherrscht hat. Mit dem Umbau des Energiesystems beschäftigen wir uns schon länger, mit den Problemen nicht. Versorgungssicherheit, Netzausbau, die Notwendigkeit von Speichern, um damit Schwankungen von Sonnen- und Windenergie auszugleichen - das war alles greifbar. Man hat sich aber in die Kernenergiediskussion verbissen und damit wertvolle Zeit verloren.

STANDARD: Der Widerstand in der Bevölkerung nimmt zu?

Bardt: Weil die Probleme erst jetzt diskutiert werden, wo die Erneuerbaren bei einem Anteil von gut 20 Prozent liegen, bekommt das Ganze ein anderes Gewicht. Wir hatten die Kostensteigerung von 3,5 auf jetzt 5,3 Cent pro Kilowattstunde, die sich 2014 auf sechs bis sieben Cent erhöhen wird.

STANDARD: Weil der Deckel fehlt?

Bardt: Und weil man dem Markt mit der Kostendegression immer nur hinterhergelaufen ist. Wir haben in Deutschland bis jetzt keine parlamentarische Kontrolle über die Ausgaben. Man hat gesagt, jeder der will, bekommt die Summe. Und die Menge definieren diejenigen, die das Geld bekommen. Das muss natürlich dazu führen, dass die Ausgaben in die Höhe schießen.

STANDARD: Wie kann man das Ganze einfangen?

Bardt: Kurzfristig gibt es verschiedene Möglichkeiten, etwa auf günstigere Erneuerbare zu fokussieren. Unser Problem war in den letzten Jahren nicht der Ausbau der erneuerbaren Energien an sich, sondern vor allem der Ausbau der Fotovoltaik. Da muss man kritisch prüfen, ob die Förderung nicht weiter zurückgefahren werden muss. Wir haben 2012 wieder doppelt so viel zugebaut, wie die Bundesregierung sich eigentlich vorgenommen hat.

STANDARD: Gehen Sie davon aus, dass es nach den Bundestagswahlen im September eine grundlegende Änderung gibt?

Bardt: Ja. Eine grundlegende Neufassung des EEG sehe ich aber erst 2015 in Kraft treten - zwei verlorene Jahre. Wir haben 2014 ein Fenster, tief gehend zu diskutieren. Niemand weiß derzeit exakt, in welche Richtung es gehen soll.

STANDARD: Welche Pfeiler sollten unbedingt eingerammt werden?

Bardt: Wir sollten zu einem wettbewerbsorientierten System kommen mit einer Differenzierung zwischen planbarem und unplanbarem Strom. Außerdem brauchen wir einen Deckel und Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern und Technologien.

STANDARD: Gibt es in dem ganzen Tohuwabohu, den wir jetzt sehen, auch einen positiven Aspekt?

Bardt: Dass jetzt Dinge auf der Agenda stehen, die schon lange dorthin gehören, etwa die Preisentwicklung. Es gibt interessante technologische Fortschritte und ordentliche Preisreduktionen, etwa bei der Fotovoltaik. Wir haben noch zu wenig Innovationen.

STANDARD: Die Modulpreise sind gestiegen, weil die EU-Kommission Strafzölle verhängen könnte.

Bardt: Ein gefährliches Spiel. Ich weiß nicht, welche harten Fakten die EU-Kommission hat, um angebliches Dumping nachzuweisen. Einen Handelskonflikt vom Zaun zu brechen ist riskant, weil andere Branchen in Mitleidenschaft gezogen werden können. (Günther Strobl, DER STANDARD, 17.5.2013)