Peter Hilpold: Die Funktion von Stiftungen und Trust liegt gerade in der Geheimhaltung von Einkommen und Vermögen.

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Österreich ist unter Vorbehalten bereit, EU-intern von der Quellensteuer auf den automatischen Informationsaustausch (AIA) umzuschwenken. Wer jetzt mit wem verhandelt, wie es um Österreichs Chance besteht, an den bilateralen Verträgen mit der Schweiz und Liechtenstein festzuhalten, und ob der derzeit löchrige Informationsaustausch zukünftig etwas weniger löchrig werden könnte, erläutert Peter Hilpold von der Universität Innsbruck. Die Fragen beantwortete der Rechtsexperte per E-Mail.

derStandard.at: Finanzministerin Maria Fekter hat ihre Zustimmung für ein Mandat an die EU-Kommission zu Verhandlungen mit Drittstaaten über die Ausweitung der Zinsbesteuerungsrichtlinie angekündigt. Auf welcher Ebene wird jetzt verhandelt?

Hilpold: Jetzt verhandelt die EU-Kommission mit der Schweiz, Liechtenstein, Monaco, San Marino und Andorra jeweils mit den Finanzministerien.

derStandard.at: Die EU-Zinsrichtlinie sieht vor, dass die EU-Länder die Kontrolldaten zu Steuerausländern automatisch an Herkunftsstaaten liefern. Getauscht werden nur Infos über natürliche Personen, Kapitalgesellschaften sind ausgenommen. Würden Sie erwarten, dass sich das jetzt sukzessive ändert?

Hilpold: Generell ist davon auszugehen, dass ein starker Druck gegeben ist, den Umfang des Informationsaustausches kontinuierlich zu erweitern. Dieser Druck kommt innerhalb der EU insbesondere von jenen Staaten, die nur mehr über ein sehr schwach ausgeprägtes Bankgeheimnis verfügen und mit einer anhaltenden Kapitalflucht in die verbleibenden Steueroasen konfrontiert sind. Im internationalen Kontext gibt es dann noch zahlreiche weitere Gründe, die für die Ausweitung des Informationsaustausches sprechen. Etwa die Bekämpfung der Kriminalität und des internationalen Terrorismus.

derStandard.at: Österreich will seine bilateralen Verträge mit der Schweiz und Liechtenstein beibehalten und damit auch die Quellenbesteuerung. Ist das Ihrer Ansicht nach rechtlich möglich und politisch denkbar?

Hilpold: Auf beiden Ebenen sehe ich Probleme, auf der politischen die größten. Solche Sonderregime sind den übrigen EU-Mitgliedstaaten ganz grundsätzlich ein Dorn im Auge und werden in politischen Verhandlungen immer wieder auf das Tapet gebracht werden. Aber auch auf rechtlicher Ebene könnten sich Schwierigkeiten abzeichnen. Schon jetzt werden diese Abkommen nur unter dem Vorbehalt ihrer Vereinbarkeit mit EU-Recht akzeptiert. Die fortlaufende Verdichtung der europäischen Integration lässt in diesem Zusammenhang Konflikte mit den Grundfreiheiten - insbesondere mit der Kapitalverkehrsfreiheit - bereits jetzt als vorprogrammiert erscheinen.

Andererseits kann die dahinter stehende politische Intention auch die sein, Zeit zu gewinnen, um den Regimewechsel nicht zu abrupt erscheinen zu lassen und vor allem auch innenpolitisch vermittelbar zu machen. Zwischenzeitlich kann auch die äußerst ertragreiche Abgeltungssteuer weiter vereinnahmt werden. Sobald aber die Schweiz einem automatischen Informationsaustausch zustimmt, engt sich der Anwendungsbereich dieser Abkommen erheblich ein und es muss dann erneut die Frage gestellt werden, ob diese Rumpfabkommen dann noch zu verteidigen sind.

derStandard.at: Derzeit machen 25 EU-Länder beim Infotausch mit. Für Österreich und Luxemburg galt eine Ausnahme: Der Umstieg auf den automatischen Datenaustausch ist nicht obligatorisch, solange es keinen "gleichwertigen" Informationsaustausch mit der Schweiz und vier weiteren europäischen Drittstaaten gibt. Was bedeutet "gleichwertig": Gibt es da Interpretationsspielraum?

Hilpold: Es ist anzunehmen, dass Österreich hier sehr hohe Ansprüche stellen wird. Aber das ist Teil des politischen Spiels. Gegenwärtig liegt ja allein ein Verhandlungsmandat für die Kommission mit den Drittstaaten vor. Österreich könnte einen Vorschlag für eine Reform der Zinsrichtlinie dann noch im Abstimmungsverfahren aufgrund des Einstimmigkeitserfordernisses verhindern. Dazu braucht die österreichische Regierung aber stichhaltige Argumente um dem politischen Druck zu widerstehen, der dann auf Österreich ausgeübt würde.

derStandard.at: Das Bankgeheimnis als solches gibt es nicht. Zu unterscheiden ist zwischen dem Geschäftsgeheimnis und dem steuerlichen Bankgeheimnis. Wird auch eine Relativierung des Geschäftsgeheimnisses kommen?

Hilpold: Damit rechne ich nicht unmittelbar. Zumindest ist das nicht intendiert. Aber sicherlich ist eines wahr: Mit wachsender Internationalität des Austausches, mit der Zunahme an Instanzen, die Zugriff auf die Daten haben, wird es in Zeiten von Wikileaks auch immer schwieriger, diese Informationen im geschäftlichen Bereich geheim zu halten.

derStandard.at: Der Informationsaustausch ist derzeit löchrig. Dividendenzahlungen werden nicht gemeldet, neben den meisten Unternehmen sind auch Zinseinkünfte von Stiftungen und Trusts ausgenommen. Ist das eine Sache, der man mit entsprechenden Gesetzen beikommen könnte?

Hilpold: In rechtstechnischer Hinsicht wäre dies ohne weiteres zu bewerkstelligen. Aber man darf Folgendes nicht vergessen: Die Funktion von Stiftungen und Trust liegt - trotz anderweitiger Behauptungen, die auf weit noblere Ziele und Ambitionen verweisen - gerade in der Geheimhaltung von Einkommen und Vermögen - gegenüber den Angehörigen, der breiteren Öffentlichkeit und häufig auch gegenüber der Finanzverwaltung. In manchen Staaten sind Stiftungen und Trust ein wichtiger, äußerst lukrativer Wirtschaftssektor. Fehlende Transparenz ist hier nicht Ergebnis rechtstechnischer Defizite, sondern explizit gewollt. Ob man dieser Intransparenz beikommt, ist somit weniger eine Frage der rechtlichen Machbarkeit als des politischen Könnens und Wollens. (Regina Bruckner, derStandard.at, 17.5.2013)