Innsbrucker Glaziologen untersucht Gletscher in den südlichen Anden. Auch diese Eisreserven haben in den vergangenen Jahren stark an Masse verloren.

Foto: Ben Marzeion

Innsbruck - Neue Forschungsergebnisse legen nahe, dass abschmelzende Gletscher deutlich mehr zum Anstieg des Meeresspiegels beitragen als bislang angenommen wurde. Die in der Fachzeitschrift "Science" veröffentlichten Berechnungen zeigen, dass das Abschmelzen der Gletscher zwischen 2003 und 2009 für ein Drittel des beobachteten Anstiegs des Meeresspiegels verantwortlich. Die anderen zwei Drittel stammen von den schmelzenden Eisschilden der Antarktis und Grönlands sowie der thermischen Ausdehnung des Meerwassers.

Rund 99 Prozent der gesamten Landeismassen befinden sich in den riesigen Eisschilden der Antarktis und Grönlands, nur ein Prozent in den zahlreichen Gletschern der kanadischen Arktis, Alaskas, entlang der Küste Grönlands, den südlichen Anden und im Himalaya. Diese vergletscherten Regionen haben alle in den Jahren 2003 bis 2009 Masse verloren, nur die Gletscher der Antarktis, kleinere Landeismassen, die nicht mit dem großen antarktischen Eisschild verbunden sind, sind nicht so stark zurückgegangen.

Exponierte Gletscher stärker betroffen

"Die vielen, vielen kleinen Gletscher sind stärker der Erwärmung exponiert und schmelzen entsprechend schneller. Eine kleine Veränderung setzt etwa einem kleinen Alpengletscher viel stärker zu als den großen Eisschilden, die sich auch weitgehend selbst das Klima machen", erklärte Georg Kaser vom Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Innsbruck. Er war an der von Wissenschaftern der Clark University in Worcester (US-Staat Massachusetts) geleiteten Studie maßgeblich beteiligt.

Zwischen 2003 und 2009 sind aus diesen Gletschern jährlich 260 Milliarden Tonnen Schmelzwasser in die Ozeane geflossen. Dieser Gletscherabfluss hat damit laut Kaser den Meeresspiegel durchschnittlich um rund 0,75 Millimeter pro Jahr ansteigen lassen.

Exaktere Messungen als je zuvor

In der Studie wurde der Beitrag aller Gletscher zum Anstieg des Meeresspiegels exakter bestimmt als je zuvor. Einerseits sei im Vorfeld der nun veröffentlichten Studie und des neuen Berichts des Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) das Weltgletscherinventar aktualisiert worden. "Wir haben vor drei Jahren nur 40 Prozent der Gletscher flächenmäßig inventarisiert gehabt, jetzt haben wir über 99 Prozent. Damit konnten wir uns weltweit Gletscher für Gletscher anschauen", so Kaser.

Zudem haben die Wissenschafter einen Abgleich und eine Harmonisierung der verschiedenen Methoden durchgeführt, was auch Grund für "diese komische Periode 2003-2009" ist, so Kaser. In diesem Zeitraum überlappen sich die Daten der verschiedenen Methoden. Konkret wurden die Daten aus traditionellen Messungen am Boden mit Satellitendaten der NASA-Missionen ICESat (Ice, Cloud and land Elevation Satellite) und GRACE (Gravity Recovery and Climate Experiment) verglichen. In Kombination mit dem weltweiten Gletscherinventar war es so möglich, die Massenänderungen der Gletscher in allen Regionen der Erde viel genauer als bisher zu bestimmen. "Bisher hatten wir beim Beitrag der Gletscher zum Meeresspiegelanstieg eine Unsicherheit von 0,37 Millimeter pro Jahr, jetzt sind wir bei 0,07 Millimeter", so Kaser.

Die Daten der neuen Studie sollen auch in die wissenschaftlichen Grundlagen für den neuen IPCC-Bericht einfließen, die im September erscheinen sollen. Der neue Sachstandsbericht des Weltklimarates soll dann im Herbst 2014 vorgestellt werden. Kaser ist einer von rund einem Dutzend in Österreich tätigen Wissenschaftern, die an dem Bericht mitarbeiten. (APA/red, derStandard.at, 17.05.2013)