Am liebsten wünscht sich Werner Faymann bei den Nationalratswahlen eine absolute Mehrheit für seine Partei - eine Flasche Wein wollte er jedoch nicht darauf verwetten.

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Wien - Gleich die erste Frage brachte den Bundeskanzler ins Wanken, obwohl er sie in den letzten Monaten schon des Öfteren beantworten musste. Wieso er nicht am U-Ausschuss zur Inseratenaffäre teilgenommen habe, wollte die Linzer Kulturwissenschaftsstudentin Agnes Aistleitner wissen. Statt direkt zu antworten, griff sich Faymann an die Krawatte, wich dem Blick der 19-jährigen Fragestellerin aus und verwies auf Staatssekretär Josef Ostermayer, der sich anstelle seiner befragen ließ.

Am Dienstag stand Werner Faymann anlässlich der bevorstehenden Nationalratswahlen den jugendlichen Diskutanten bei der von ORF Wien und Standard veranstalteten Diskussion "Zukunft am Wort" Rede und Antwort. Neben Aistleitner stellte der Innsbrucker Jus-Student Simon Oberbichler die Fragen am Podium, Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid moderierte. Politikwissenschaftler Peter Filzmaier stand mit Analysen zur Seite. Das vorwiegend jugendliche Publikum erschien zahlreich, bis zur letzten Reihe war der Veranstaltungssaal im Dschungel Wien gefüllt. Nur FPÖ-Parteiobmann Heinz-Christian Strache hat noch mehr angezogen.

In Bezug auf die Freiheitlichen bekräftigte Faymann jedoch wiederholt sein klares Versprechen bei möglichen Koalitionsverhandlungen: "Ich grenze die FPÖ aus innerster Überzeugung aus. Die haben in einer Regierung nichts verloren." Zum Team Stronach äußerte der Bundeskanzler eine ebenso klare Meinung: "Ich bin ohnehin kein Fan dieser Truppe." In Anspielung auf die unkonventionellen Interviews ihres Parteiobmanns fügte er ironisch an: "Ich finde, Stronach sollte eine Fernsehpflicht bekommen."

In jedem Fall würde der SPÖ-Parteivorsitzende eine Zweierkoalition bevorzugen, da die Entscheidungsfindung derzeit ohnehin schon zu lange dauern würde. Drei Parteien kämen laut Faymann einer Blockaderegierung gleich. Ob die ÖVP oder die Grünen sein bevorzugter Koalitionspartner wären, ließ er offen.

Dass junge Leute angesichts der aktuellen Wirtschaftslage von der Politik enttäuscht seien, kann der Bundeskanzler zwar verstehen, dennoch betonte er: "Die Politik hat nicht die Finanzmarktkrise verursacht, sondern war zu schwach - und manchmal auch zu feige - um gewisse Dinge zu verbieten." Er forderte daher stärkere Kompetenzen für das Europäische Parlament: " Nicht zu viel Europa, sondern zu wenig Europa hat uns in die Krise geführt."

Ein Schüler aus dem Publikum schlug vor, dass man der Politikverdrossenheit unter Jugendlichen mit der Einführung eines autonomen Schulfachs "Politische Bildung" entgegenwirken könnte - und erntete dafür tosenden Applaus. Der Bundeskanzler stimmte dem zwar grundsätzlich zu, äußerte jedoch keine konkreten Wahlversprechen.

Der Hauptmangel am österreichischen Bildungssystems sei laut Faymann, dass es zu wenig Ganztagsschulen gebe und verwies dabei auf die skandinavischen Staaten, die in Bildungstests überdurchschnittlich abschneiden.

Was viele Politiker selber nicht schaffen, nimmt Diskutantin Aistleitner nun selbst in die Hand: Unter dem Slogan "Wahlzuckerl" arbeitet sie an einer Kurzfilmreihe für Jugendliche, die politische Fragestellungen zeitgemäß aufbereiten soll. "Das ist manchmal besser als lange Texte durchzulesen", sagte die Studentin. (Philipp Koch, Fabian Kretschmer, DER STANDARD, 16.5.2013)