Der Louvre als Bild für die "Genealogie" einer Sammlung: Die Generali Foundation zeigt das Aufbrechen solcher Narrative und garniert mit Insiderschmähs wie einem Wasserschaden. 

Foto: Margherita Spiluttini

Entwickelt hat er ein für diesen Raum ungewöhnliches Farbenfeuerwerk, gespickt mit Gags und Ironie, aber auch eine zutiefst intelligente Ausstellung.

Wien - Bonbonfarben statt Mausgrau. So bunt und anders war die Generali Foundation noch nie. Ganze Wandfluchten erstrahlen in Zuckerlrosa, Schwimmbadblau und Honiggelb. Sogar die charakteristische, die große Halle des Ausstellungshauses durchmessende Sichtbetonwand wird durch die Abstrahlung der Farbe "mild", wie Kurator Helmut Draxler sagt. Und nach einer rhetorischen Pause hängt er - sich der Provokation dieses Adjektivs bewusst - ein "schön" an.

Weder schwelgt Draxler in einer bestimmten Ästhetik, noch folgt er einem bestimmten Farbkonzept. Aber - und das wird im Moment des Eintretens klar, wenn es einem sonnig entgegenleuchtet - das Kolorit stützt ein Konzept. Und das allein - verbunden mit dem Willen, diese Idee auch noch visuell kundzutun - vermag den Betrachter heutzutage bereits in Jubelstimmung zu versetzen.

Lautete Draxlers Aufgabe, sich mit 25 Jahren Generali Foundation zu beschäftigen, so antwortete er eben nicht mit einer "separation of supreme". Schon allein das Sammeln selbst sei ein Abschöpfen von Rahm, verbildlicht der Kunsthistoriker und Kulturtheoretiker seinen Unwillen, jetzt "die Crème de la Crème" auszuwählen und damit in den Prozess der Wertsicherstellung einzugreifen.

Schubs für die Sammlung

Richtungsgebend war Draxler für die Rahmgewinnung dennoch; saß er doch vor gut zwanzig Jahren mit Hildegund Amanshauser und Kasper König im Beirat des Kunstvereins und sorgte dafür, dass die der heimischen Bildhauerei verpflichtete Kollektion der Generali in Richtung Internationalität und Konzeptkunst driftet.

Ganz ohne Kunst kommt die Ausstellung The Content of Form freilich nicht aus. Diskutiert wird diesmal jedoch eher deren Fassung im Prinzip einer Sammlung. Und das Prinzip ist: Anhäufen, Anordnen und Zurschaustellen.

Oder: "Repräsentation", "Genealogie" und "Konversation", wie die Kapitel bei Draxler heißen und die er mit drei wunderbar stimmigen historischen Gemälden ins Bild übersetzt hat; denn Sammlungen kreieren immer auch einen (musealen) Raum: der Einblick von David Teniers d. J. in die 1400 Bilder umfassende Galerie von Erzherzog Leopold Wilhelm (um 1651), die lange Promenade der Grand Galerie des Louvre (Hubert Robert, 1796) und das Diskutieren der Kunstsinnigen in den Uffizien (La Tribuna degli Uffizi, 1772-77 von Johann Zoffany).

Auf die bombastischen, prunkvollen Bildwände des habsburgischen Kunstmäzens reagiert die Ausstellung unmittelbar mit einem zur Wand gedrehten Monitor, zu dem sich das Stromkabel in aufreizender Sichtbarkeit schlängelt: Mehr als bläuliches Licht ist nicht zu sehen vom Mäzen unserer Tage; die Videobilder vom Generali-Headquarter flimmern lediglich die Mauer an. Schließlich, so war es angedacht, soll der Kunstbetrieb autonom ablaufen.

Dieses zur Wanddrehen verweist aber auch darauf, dass das Dargestellte im Rahmen zugunsten der Kehrseite der Dinge - so wie in Cornelis Gijsbrechts Rückseite eines Gemäldes (1670) - an Bedeutung verliert. Auch das Unbequeme der institutionellen Kritik findet in einem solchen Repräsentationsverständnis plötzlich Platz. Darüber steht der Name der Patin dieser Idee - Langzeitdirektorin Sabine Breitwieser - freilich in grauen Lettern.

Aber auch die opulente Matratzen-Architektur von Marta Minujín, die für Kunst direkt aus dem Leben steht, tritt in Dialog mit der barocken Kunstkammer.

Zu didaktisch wird es aber nie, denn Draxler vergewaltigt die Kunst nicht zur Illustration seiner Ideen. Zu viel Ernst wird obendrein mit Ironie, Gags und Sprüchen aufgebrochen: "Frag nicht, wie du der Sammlung Sinn geben kannst, frag, wie die Sammlung dir Sinn gibt!" Eine die Gedanken anstupsende, famose Ausstellung. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 16.5.2013)