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Steven Spielbergs Kriegsdrama "Saving Private Ryan" mit Tom Hanks in der Hauptrolle: Nie zuvor war das Chaos der Kampfhandlungen so unmittelbar nachzuempfinden.

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Als Steven Spielberg 1998 den Film Saving Private Ryan herausbrachte, da wurde vor allem die Darstellung der Landung in der Normandie als Meisterstück der Inszenierung gepriesen. Nie zuvor war das Chaos von Kampfhandlungen so unmittelbar nachzuempfinden gewesen, als ein Stakkato von Sinneseindrücken, die in diesem Fall mit audioviosuellen Mitteln dargestellt wurden: Schnitt, Steadycam, Dolby Surround, Spezialeffekte aller Art - und natürlich Schauspieler, nach denen wir beim Zuschauen suchen, obwohl sie sich im Gefechtsnebel zu verlieren drohen.

Der Krieg stellt für die Medien eine besondere Herausforderung dar, denn er bildet einen Exzess an Unmittelbarkeit, ein Geschehen radikaler Überforderung ab. Wie aber stellt sich die Sache aus der Distanz dar? " Nur die an der Peripherie, die auf den Kampf warten oder sich danach dazu äußern, haben eine Sicht darauf", schreibt Elisabeth Bronfen in ihrem Buch Specters of War, in dem sie 2012 eine ausführliche Untersuchung von Hollywood's Engagement with Military Conflict vorlegte.

Die renommierte Kulturwissenschafterin hat mit "Specters" bewusst einen vieldeutigen Begriff über ihr Projekt gesetzt: Denn es gibt nicht nur ein enorm breites Spektrum an Kriegsdarstellungen, diese stellen auch ein Bildreservoir dar, das auf verschiedensten Ebenen der gesellschaftlichen wie der individuellen Rezeption wirksam ist.

Die Spannung zwischen dem nachträglichen Blick des Kinos und dem " unmöglichen" Blick inmitten des "rasenden" Kriegs bekommt für Bronfen dabei noch eine zweite Konnotation: Sie entfaltet sich zwischen dem Daheim und dem Draußen.

Schnittstelle Mainstream

Man zieht immer in den Krieg, und kehrt (vielleicht) daraus zurück. Bronfen, die in Zürich als Anglistin lehrt, schließt dabei auch an ihr Buch Heimweh: Illusionsspiele in Hollywood an, in dem sie das amerikanische Mainstreamkino als "Schnittstelle zwischen individuellem Genießen und einem kollektiv anerkannten Gesetz" zu begreifen versuchte.

Die Gespenster des Kriegs erfasst sie nun auch in einer Spannung zwischen Faktum und Überlieferung, die sie in Aby Warburgs " Mnemosyne-Atlas" veranschaulicht sieht. Der Kunsthistoriker hatte in Bildmotiven durch die Geschichte hindurch nach ikonischen Kontinuitäten gesucht. Der Erste Weltkrieg hatte deutliche Spuren hinterlassen. " Warburg sah, dass der Krieg über das Schweigen der Waffen hinweg überlebte - psychisch, kulturell und politisch. In den Augen der Clio (also der Geschichte) war der Krieg beendet, aber in den Augen der Mnemosyne (also der Erinnerung) konnte er niemals zu Ende gehen", schreibt der französische Kunsttheoretiker und Philosoph Georges Didi-Hubermann, den Bronfen zitiert.

Bronfen veranschaulicht diese Spannung an einem Bild aus Lewis Milestones All Quiet on the Western Front (Im Westen nichts Neues), in dem uns ein toter Soldat und ein toter Schauspieler anblicken. Wir sind also durch ein doppeltes Überleben von dem Geschehen getrennt, das uns der Film vergegenwärtigen möchte. Mit dem Voranschreiten der technologischen Entwicklung wird diese Differenz immer größer, zugleich werden die Kriegsfilme immer reflexiver, wie Bronfen in ihrer Diskussion über Saving Private Ryan zeigt.

Spielberg zitiert Vorgänger

Sie greift hier nicht nur auf Warburgs Begriff von der Pathosformel zurück, sondern zeigt, wie Spielberg (aber auch schon zahlreiche andere Regisseure vor ihm) sich in seiner Darstellung des Kampfes sehr stark auf bildgeschichtliche Vorgänger bezieht. Er zitiert Dokumentar- und Propagandafilme, greift bestimmte Posen oder im Gedächtnis haften gebliebene Momente auf.

Dadurch verstärkt er die involvierenden Strategien des Kinos und der Überlieferungsgeschichte. "Spielberg erhöht den Einsatz früherer Schlachtchoreografien. Er macht die Gleichung zwischen reinem Tod und reinem Kino neu auf, auf der alle Schlachtchoreografien beruhen."

Bronfens Buch nimmt eine interessante Wendung dort, wo sie sich mit der Inszenierung von Kriegsereignissen in ihrer juristischen Aufarbeitung beschäftigt. Unter der Überschrift "Court-Martial Drama" analysiert sie hier Stanley Kubricks Paths of Glory (Wege zum Ruhm) oder Stanley Kramers Judgement at Nuremberg (Urteil von Nürnberg), bevor sie mit einem Blick auf die jüngste (Film-)Geschichte die Schwierigkeiten hervorhebt, vor denen das Kino in einer Ära extremer Mediatisierung steht (die zugleich den Blick ja häufig behindert oder ihm irreführendes Material anbietet).

Komplizen des Geschehens

Über den Irak-Film Green Zone schreibt Bronfen: "Die Regie verweist uns auf die Unmöglichkeit einer sachgerechten Repräsentation der komplexen Auseinandersetzungen um die Zukunft des Irak, macht uns aber über unser Genießen seines visuellen Spiels zu Komplizen eines Spannungsgeschehens, das zwischen zwei visuellen Registern entsteht."

Die neueste Mediengeschichte hat uns zu nahe an die Kriege herangeführt. Wir sind nun häufig live dabei, sehen aber eigentlich nichts. Umso wichtiger ist die Nachträglichkeit, mit der Filme auch dort noch, wo sie auf das Hineinsaugen der Zuschauer in ein nachgestelltes Kampfgeschehen setzen, eine Art von Geschichtsschreibung betreiben. Sie stellen damit ein "Historisches Wissen anderer Art" dar, wie es im Untertitel des Vortrags lautet, den Elisabeth Bronfen am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften IFK halten wird und in dem sie Hollywoods Kriege nicht einfach als Fortsetzung der amerikanischen Hegemonialpolitik mit audiovisuellen Mitteln sieht, wie das oft geschieht, sondern als komplexe Auseinandersetzungen mit einem Geschehen, zu dessen Kern die Repräsentation keinen Zugang hat. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 15.05.2013)