Die anonymen Beobachter sind auf der Hut und greifen öfters rasch zum Hörer.

Foto: standard/heribert corn

Der Park in diesem Wohnviertel ist ein kleiner Organismus für sich: Hier treffen Junge auf Alte, Sporttreibende auf Ruhesuchende, Bezirks-Neulinge auf Alteingesessene; die Liste ist lang. Es ist auch ein Ort, der unter besonderer Beobachtung zu stehen scheint. Jedenfalls ist die Polizei immer gleich da. Auch dann, wenn sie nicht gebraucht wird – die anonymen Beobachter sind auf der Hut und greifen öfters rasch zum Hörer.

Der Käfig

Dort, wo ich mich aufhalte, steht ein Fußballkäfig. Rund um ihn scharen sich Kinder, um das Spektakel lautstark zu kommentieren. Rollt im "Käfig" der Ball, ist es den Jugendlichen gleichgültig, was draußen passiert. Vorerst mal. Auf den Parkbänken tummeln sich ältere Herren um miteinander zu philosophieren. Sie leben alle unter ähnlichen sozialen Verhältnissen und verlassen ihre gewohnte Umgebung nur selten. Sie bleiben hier im Viertel.

Ich komme mit einem kleinen Jungen ins Gespräch: In vorsichtigem Ton erzählt er mir, dass ihm von einer Gruppe Achtzehnjähriger das Handy gestohlen wurde. Sie sollen im Park auf Beutefang gegangen sein. Nachts, wenn das Auge nur noch schwer Erkennen kann, was hier vor sich geht, soll der begrünte, öffentliche Raum sogar Austragungsort  von Schlägereien werden. Gesehen hat bislang jedoch niemand was.

Das Beschaffungssytem

Am Ende des Parks - neben einer dichten Hecke und abgegrenzt durch ein paar große Büsche - trifft sich eine Clique von 14 bis 16-Jährigen Mädchen. Sie sind gekommen um sich zu betrinken. Bier, Wein und alles andere, was sie sonst noch in die Finger bekommen. Das Beschaffungssystem ist altbekannt, die Älteren übernehmen den Einkauf, die Jüngeren finanzieren ihn.

Eine Weile später, als die Trunkenheit den Mädchen schon ins Gesicht geschrieben steht, macht eine von ihnen, eine Runde durch den Park. Sie spricht Burschen an: Zuerst die Kicker aus dem Käfig, dann Jugendliche, die auf den Parkbänken hocken und zuletzt einen Betreuerkollegen, der mir berichtet. "Möchtest du dich nicht zu uns setzen? Es wird heute sicher noch lustig", sagte sie zu ihm.

Als keiner der von ihr angesprochenen reagiert, geht sie weiter zu einer älteren Gruppe von Männern, Mitte Zwanzig. In ihrer Runde wird Bier getrunken und ein Joint weitergereicht. Unweit von den Kindern am Spielplatz. Sie wirken ernst, gelacht wird kaum. Sie tragen kleine Umhängetaschen und Baseball-Caps, einer ist am Hals tätowiert, ein anderer auf seiner Außenhand.

Dort angekommen, scheint sie endlich Aufmerksamkeit erlangt n zu haben – sie unterhält sich lange mit ihnen. Ihre Freundinnen stoßen dazu. Für mich ist es ein verstörender Anblick: 17 Uhr, Mitte der Woche, viel zu junge Teenager flirten im Vollrausch mit älteren Männern. Eine Szene die mich an "Kidulthood" denken lässt. (red, daStandard.at, 14.5.2013)