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Der Wiener Morzinplatz als Experimentierfeld des Erinnerns an verfolgte Schwule und Lesben: Hans Kupelwiesers "Rosa Platz" (Bild) scheiterte 2006 an behördlichen Auflagen. Seit 2010 versucht man mit wechselnden Installationen Zeichen gegen das Vergessen zu setzen.

Foto: APA/HANS KUPPELWIESER

Betrachtet man die jüngeren Denkmalinitiativen für Opfer des Nationalsozialismus, fällt auf, dass es - sieht man von nationalen Gedenkstätten wie Mauthausen ab - immer die Gemeinde Wien ist, die den gesamten Staat betreffende Projekte der Erinnerung umsetzt. Sei es das "Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Schoah" am Wiener Judenplatz, sei es das fixierte, aber noch nicht errichtete Denkmal für die Deserteure der Wehrmacht. Und so ist es auch beim geplanten Denkmal für die homosexuellen und transgender Opfer.

Eine Frage, die in diesem Zusammenhang kaum diskutiert wird: Warum ist das Gedenken eigentlich Länder- und Kommunensache? Wurden in Tirol keine Schwulen und Lesben verfolgt und ermordet? Soll ihrer nicht gedacht werden? Oder gilt das Wiener Denkmal für alle? Pars pro toto? Wäre es nicht vielleicht sinnvoller, statt über mögliche Standorte für ein Wiener Denkmal einmal über das Gedenken überhaupt zu diskutieren?

Ein längst überfälliger Akt wäre die Aufhebung der Urteile, die nationalsozialistische Gerichte über homosexuelle Männer und Frauen verhängten, ein symbolischer Akt, der im Nationalrat zügig erledigbar wäre. Dem folgen müsste eine Diskussion über die Aufhebung aller Urteile nach dem Paragraphen 129Ib, der "Unzucht wider die Natur" von 1852 bis 1971 mit Kerker und Gefängnis und im Falle einer Verurteilung auch oft mit der Vernichtung der gesellschaftlichen Existenz bestrafte. In Deutschland wurden die nationalsozialistischen Urteile gegen Homosexuelle schon 2002 aufgehoben. Warum ist eine Diskussion darüber in dieser Republik nicht zu führen, warum ist es nicht längst geschehen?

Der Deutsche Bundestag ging noch weiter. Als Akt der Wiedergutmachung an den nicht entschädigten homosexuellen Opfern des NS-Terrors wurde die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld mit 10 Millionen Euro Kapital ausgestattet, um damit Projekte zu fördern, die die gesellschaftliche Lebenswelt von Lesben, Schwulen und Transgender erforschen, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit fördern, um Diskriminierung von Homosexuellen in Deutschland entgegenzutreten. Damit soll auch die Erinnerung an die Nazi-Verbrechen an Homosexuellen wachgehalten werden.

Wie wäre es denn mit einer -nennen wir sie - Heinz-Heger-Stiftung in Österreich? Einen vergleichbar engagierten Sexualwissenschafter wie den Namensgeber der deutschen Stiftung haben wir nicht aufzuweisen, aber Heinz Heger ist dafür ein Symbol für die lebenslange Verfolgung, die Homosexuelle in Österreich erfahren haben. Er wurde in verschiedenen Konzentrationslagern sechs Jahre lang gequält und entrechtet, und danach verweigerte ihm auch die Republik sein Leben lang eine Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus und damit sämtliche Ansprüche auf Entschädigung. Im Gegensatz zum KZ-Personal wurde Heinz Heger nicht einmal die Haftzeit für die Pensionsberechnung anerkannt. Erst 2005 wurden verfolgte Homosexuelle von der Republik offiziell als solche anerkannt, zu einem Zeitpunkt, als alle Opfer tot waren.

Für die Republik im Jahr 2013 wäre die Errichtung einer österreichischen Heinz-Heger-Stiftung eine Geste diesen so lange verleugneten Opfern gegenüber, alle Bundesländer könnten dazu ihren Beitrag leisten. Dem Stiftungszweck der Magnus-Hirschfeld-Stiftung ähnlich könnten Forschungsprojekte, Antidiskriminierungs- und Bildungsinitiativen unterstützt werden. Gedenken könnte so lebendig gehalten werden, regional oder überregional, den Kommunikationsbedürfnissen der Zeit angepasst. Denn Gedenken ist Auseinandersetzung, ein immer wieder neues Hinterfragen der Geschichte, mehr als das sonntagsredenartige "Nie wieder!"

Sollte man das temporäre Mahnmal der Stadt Wien, das nun ab heute am Morzinplatz zu sehen ist, nicht auch für eine Diskussion nutzen, die weiter führt, als zum Ort eines Gedenksteins? Die Stadt Wien hätte die Möglichkeit, mit dem geplanten Mahnmal für die homosexuellen und transgender Opfer des Nationalsozialismus neue Wege zu beschreiten und Formen des zeitgemäßen Gedenkens zum Thema zu machen. In einer breit angelegten Debatte, in der auch gefragt werden muss, wessen wir mit einem solchen Denkmal gedenken wollen und welche Funktion dieses Gedenken für Schwule, Lesben und Transgender heute erfüllt. Einer solchen Diskussion stünde ein Gedenkstein eher im Weg, egal wo man ihn platziert. (Andreas Brunner/Hannes Sulzenbacher, DER STANDARD, 14.5.2013)