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Günter Brus' elfteilige Bilddichtung "Das Inquisit" schmückt die Ausstellung ebenso wie bisher nie präsentierte Collagen und Buntstiftzeichnungen von Gerhard Rühm. Über das Fehlen einer kuratorischen These können sie aber nicht hinwegtrösten.

Foto: Archiv Brus

Klosterneuburg - Nächstes Jahr ist es ein halbes Jahrhundert, dass René Block im Kunstgeschehen mitmischt: 1964 eröffnete er 22-jährig seine erste Galerie in Berlin und stellte mit Markus Lüpertz, Sigmar Polke und Gerhard Richter jene Studienfreunde und Künstler aus, die heute zu den wichtigsten ihrer Generation zählen. 1974 öffnete seine dem Fluxus verpflichtete New Yorker Dependance mit Beuys legendärer Kojoten-Aktion.

Block zählt zu den Mitbegründern der Art Cologne, leitete die Kasseler Kunsthalle Friedericianum und kuratierte Biennalen in Sydney und Kwangju. Was will also einen solchen Auskenner des Betriebs und der Kunst noch Demut lehren? Tatsächlich das Depot eines Sammlers? Nicht wirklich. Umso mehr irritiert das im Pressetext lancierte Eingeständnis von der "Ohnmacht des Kurators vor der Macht der Bilder".

Eine kleine Machtmusik. Bericht aus dem Depot heißt die Schau, die den Blick des Gastkurators auf die Sammlung Essl repräsentiert. In Zeiten kritisch beäugter "Kuratoren-Kunst" von einer Ohnmacht ebenjener Kunst-Macher und Bedeutungsgeber zu lesen, die Kunst zur "ständigen Erweiterung des Bewusstseins für sich und andere" (Block) genutzt sehen wollen, klingt ein wenig zu sehr nach Koketterie.

"Aber es ist tatsächlich manchmal so", weist Block den Verdacht gekünstelter Bescheidenheit zurück. Bei der Möglichkeit, aus 7000 Werken auszuwählen, gebe es zunächst einen Moment der Ohnmacht, sagt er. Das sei etwas ganz anderes, als Ideen für Ausstellungen auszubrüten und dann mit den Künstlern Werke auszusuchen oder neue Beiträge zu entwickeln. Er wurde also tatsächlich von der Fülle der Bestände erschlagen? "So ist es." Wirkliche Überraschungen bot die Sammlung aber nur quantitativ. Ihn erstaunt die ungeheure Breite, in der gesammelt wurde. Was ihn wundert, würden andere das Fehlen einer spürbaren Linie nennen.

Heraufgetauchte Avantgarde

Der Ohnmacht des Depots wirkte Block nun entgegen, indem er aus dessen Tiefe für sich die österreichische Kunst der 1960er-Jahre herauftauchte: Die österreichische Avantgarde sei für ihn ein "unbekanntes Gewässer". Eine Parallelwelt zu seiner Fluxus-Vorliebe, der er sich nun endlich näher widmen wolle. Zwar war in Berliner Zeiten H. C. Artmann sein WG-Genosse, Gerhard Rühm ein Mitstreiter bei Veranstaltungen und Christian Ludwig Attersee ein Nachbar gewesen, aber eine den Österreichern gewidmete Ausstellung fand erst viel später in New York statt: The Spirit of Vienna (1977) mit Günter Brus, Otto Mühl, Hermann Nitsch, Arnulf Rainer, Gerhard Rühm und Rudolf Schwarzkogler.

"Mich interessieren vor allem radikale künstlerische Äußerungen", verriet Block der taz einmal. Nur logisch also, dass ihn die Kunst seiner eigenen Anfänge interessiert, als Kunst noch Widerstände spürte und im Untergrund wirkte. Heute reizt ihn Kunst aus Ländern, wo sie noch Ausdruck des Aufbegehrens ist und nicht von Saturiertheit erzählt.

Umso unverständlicher ist nun, wie gesättigt, wie erkenntnisfrei der erfahrene Ausstellungsmacher seine Beschäftigung mit den Österreichern vermittelt: Statt gedankliche Inputs zu spenden, präsentiert er die einstigen Revoluzzer als Sinfonie. Block dockt an das größte Österreichklischee - die Musik Mozarts - an.

Soll man das etwa als Ansage an die längst im etablierten Bereich der Höchstpreise angekommenen Jahrgänge verstehen? Seine rhythmisch-musikalische Hängung von zweifelsfrei erstklassiger Ware beginnt mit Leitmotiven in einer "getragenen" Ouvertüre (eine Vorstellung der Protagonisten von Oswald Oberhuber bis Valie Export).

Über das heitere "Scherzo" (Maria Lassnig trifft auf Attersee und Erwin Wurm), Ruhigeres (Bruno Gironcoli und Franz West) und ein "Crescendo" (Rainer und Wurm) findet man schließlich zu einer "Getragenheit" (Wiener Aktionisten!) zurück.

Schon allein Gironcoli und West trotz konträrster Skulpturenauffassungen, aber vorhandener farblicher Harmonie zusammenzubinden, ist grenzwertig. Ist das der Weg, sich von heimischen Ausstellungen zur österreichischen Avantgarde (etwa im Mumok) abzuheben? Offenbart diese Oberflächen-Fiedelei die Machtmusik des Kurators? "Es ist entscheidend, wie man die eigene Macht nutzt", sagt Block. In Klosterneuburg nutzte er sie zu inhaltsleerer Lässigkeit. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 14.5.2013)