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Sundar Pichai dürfte auch auf der kommenden Google I/O eine wichtigere Rolle einnehmen.

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Im Mai löste Sundar Pichai, bislang zuständig für Chrome-Belange, Andy Rubin an der Spitze von Googles Android-Abteilung ab und führt nun beide Projekte. Bis vor kurzem hatte er Presseanfragen stets abgewimmelt, doch nun – im Vorfeld der Google I/O – hat er Wired ein erstes Interview gegeben und dabei in die Zukunft der beiden Google-Betriebssysteme geblickt.

Manege frei für Rubin-Nachfolger

Sundar Pichai ist 40 Jahre alt und zählt zu seiner akademischen Laufbahn das Indian Institute of Technology sowie die Stanford University. Seit 2004 ist er bei Google und leitete die Chrome-Abteilung schon seit längerem. In seiner Funktion stellte er auf der Entwicklermesse stets die Neuerungen für das Cloud-zentrierte System, quasi als Sidekick des heimlichen Stars der Veranstaltung – Andy Rubin.

Dies wird sich heuer wohl ändern, da Rubin nun innerhalb des Konzerns neue Herausforderungen sucht. Entgegen der logischen Erwartung war Pichai in den Wechsel an der Android-Spitze erst sehr kurzfristig involviert. Nur wenige Wochen soll es gedauert haben, ehe er das Ruder seines Vorgängers nach dessen Abtrittsentschluss übernahm.

"Die Nutzer interessieren sich für Apps, nicht für Betriebssysteme"

Pichai sieht Android und Chrome als zwei schnell wachsende Plattformen, die auch in Zukunft eine starke Rolle einnehmen werden. Eine Zusammenführung der beiden Systeme, wie sie von Brancheninsidern schon vermutet wurde, ist in absehbarer Zeit nicht angedacht.

"Die Nutzer interessieren sich für die Anwendungen und Dienste, die sie nutzen, nicht für Betriebssysteme", legt der frischgebackene Chef-Androide seine Ansicht dar. "Nur sehr wenige Leute fragen, warum MacBooks mit Mac OS laufen und iPads mit iOS. Für sie ist Apple iTunes, iCloud und iPhoto." Er betont, dass auch Entwickler eigentlich nichts anderes wollen, als Apps zu schreiben und die Wahl zu haben, für welche Plattform.

Definitiv ausgeschlossen ist eine zukünftige Verschmelzung nicht. Dazu meint Pichai: "Langfristig wird die Entwicklung der Computer diktieren, welche Änderungen es gibt. Wir leben in einem Schlüsselmoment. Es ist eine Welt aus mehreren Bildschirmen, Smart Displays, jede Menge Low-Cost-Computing und großen Sensoren in Geräten. Bei Google fragen wir uns, wie wir etwas nahtloses, schönes und intuitives auf allen diesen Bildschirmen realisieren können."

Zukunftspotenzial

Den großen Vorteil von Android sieht er darin, dass es beide Enden eines rapide wachsenden Marktes anspricht. Insbesondere, weil in den kommenden Jahren Milliarden Menschen das erste Mal online sein werden und mit Android auch die Entwicklung guter Geräte zu niedrigem Preis möglich ist, die die Anforderungen der neuen Kundschaft erfüllen.

Dabei stellt jedoch die Offenheit des Systems eine Herausforderung dar, möchte man gleichzeitig viele verschiedene Ansprüche abdecken und die Nutzungserfahrung verbessern.

Prioritäten

Angst vor Entwicklungen wie Facebook Home hat man nicht. Für Pichai erfüllt der Facebook-Launcher schlichtweg eine andere Facette der Verwendung. "Für Mark [Zuckerberg] stehen Leute im Zentrum von allen. Ich habe einen etwas anderen Zugang und glaube, dass das Leben viele Gesichter hat, von denen Menschen ein wichtiges, aber nicht das einzige sind."

Gleichzeitig möchte man eine konsistente Nutzungserfahrung bieten. Dass "vereinnahmende" Software wie Facebook Home künftig durch Änderungen an Android schwerer zu realisieren ist, schließt Pichai nicht aus. Er meint jedoch, dass Facebook so etwas stets machen können wird, wenn die User danach verlangen.

Kindle Fire: "Eine Android-Version wäre besser"

Ähnlich gelassen ist sein Zugang zu Amazons Kindle-Reihe, deren Software auf Android basiert. "Gemäß der Lizenz kann Amazon das tun", meint er. "Generell würden wir bei Google uns aber freuen, wenn alle gemeinsam an einer Version von Android arbeiten würden, weil das für jeden besser wäre."

Keine Angst vor Samsung

Zwar gibt es unzählige Hersteller, die ihr Geld hauptsächlich mit Android-Phones verdienen, den mit Abstand größten Teil des Kuchens vereinnahmt allerdings Samsung mit seiner riesigen Geräteflotte. Ein Problem erkennt Pichai darin nicht – im Gegenteil: "Samsung spielt eine wichtige Rolle darin, Android erfolgreich zu machen. Für gute Nutzererfahrung braucht man gute Hardware und Software. Unsere Beziehung ist sehr eng, sowohl im täglichen Geschäft als auch in taktischer Hinsicht".

Denn seiner Ansicht nach, finden sich die nächsten großen Entwicklungen im (Mobile-)Computing im Bereich der Displays und Akkutechnologie. Und in beiden Sparten zählt sich das koreanische Unternehmen zu den wichtigsten Größen der Industrie. Die Rolle des im Eigenbesitz von Google befindlichen Herstellers Motorola Mobile spielt er hingegen herunter: "In Sachen Android sind sie [nur] einer unserer Partner."

I/O: Weniger Launches

Zum Thema Google-Hardware gibt sich Pichai eher schweigsam. So will man auf Kontinuität setzen und den Weg, den man mit der Nexus-Reihe und den Chromebooks eingeschlagen hat, weiter fortsetzen. Viele erwarten für die anstehende I/O-Konferenz eine Neuauflage des Nexus 7-Tablets als auch eine aufgemöbelte Version des Nexus 4.

Pichai kündigt für heuer an, dass man sich mit neuen Launches auf der I/O zurückhalten wird. Stattdessen möchte man sich mehr um die Entwickler selbst kümmern und auch mehr in Sachen Google Apps zeigen. Details dazu blieben freilich aus.

HTML5

Chrome OS setzt stark auf offene Webtechnologien und damit auf HTML5. Doch diese Sammlung an verschiedenen Werkzeugen steckt teilweise noch in den Kinderschuhen. YouTube setzt bei seinem Desktop-Videoangebot weiter auf Flash und bietet HTML5 nur experimentell an. Seitens Facebook hieß es, die Technologie sei nicht leistungsfähig und schnell genug, um die eigenen Apps darauf aufzuziehen.

Dem widerspricht Pichai. "Ich glaube nicht, dass alle Probleme von Facebook im Mobile-Bereich einfach auf HTML5 geschoben werden können. Andere Unternehmen haben sehr erfolgreiche Apps, die darauf basieren. Viele Magazine sind von einem nativen Format auf HTML5 umgestiegen. Etwa die Financial Times, und dort hat man vermeldet, dass man nun mehr Nutzerbeteiligung verzeichnet und zulegt."

Entwicklereinnahmen: Positive Entwicklung

Eine andere Frage betrifft das Businessmodell von Android: Das Betriebssystem dominiert den Smartphone-Bereich – auch mit deutlichem Vorsprung zu iOS. Trotzdem lukrieren die Entwickler auf Apples Plattform immer noch mehr Geld. Was Googles eigene Einnahmen angeht, sieht Pichai den Konzern mit seinen diversen Apps und Plattformen – allen voran YouTube, Maps und Play – gut aufgestellt.

Die Gesamtauszahlungen an die Entwickler sollen sich im vergangenen Jahr zudem um ein Vielfaches erhöht haben. Und diesbezüglich erwartet er von der zunehmenden Computerisierung verschiedener Lebensbereiche wie Bildung noch einiges mehr.

Neue Updatemechanismen im Fokus

Eine der größeren Baustellen von Android ist der Updateprozess. Hier hängt aktuell sehr viel an den Herstellern und Telekommunikationsanbietern. Viele User beklagen sich, kaum bis gar keine Aktualisierungen für ihre Geräte zu erhalten. Schnelle Sicherheitspatches bleiben nicht selten aus. Hier verspricht der neue Abteilungschef Verbesserungen, ohne genauer darauf einzugehen.

"Wir wissen, wie wir es machen können. Wir reden mit unseren Partnern und arbeiten uns [durch das Thema] durch", so Sundai. Wir brauchen noch Zeit, um die neue Mechanik auszutüfteln, aber es ist definitiv ein wichtiger Fokusbereich für mich und das Team."

"Geht voran und vollbringt Dinge in Google-Dimensionen"

Die Vorgaben von seinem Chef, Google-CEO Larry Page, sind offenbar nur grob gehalten und lauten "geht voran und vollbringt Dinge in Google-Dimensionen." Gefragt darauf, wie er dies gemeinsam mit seinen Chrome- und App-Agenden zeitlich unter einen Hut bringt, meint Pichai augenzwinkernd: "Ich habe ein Geheimprojekt, das meinen 24-Stunden-Tag um weitere vier Stunden verlängert. Es geht dabei auch ein bisschen um Zeitreisen."

It's a world of multiple screens, smart displays, with tons of low-cost computing, with big sensors built into devices. At Google we ask how to bring together something seamless and beautiful and intuitive across all these screens. The picture may look different a year or two from from now, but in the short term, we have Android and we have Chrome, and we are not changing course. (gpi, derStandard.at, 13.05.2013)