Wiener Physiker entwickeln den Prototyp eines Quantencomputers

Foto: Philip Walther Gruppe, Universität Wien

Quantencomputer sollen künftig bestimmte Probleme wesentlich schneller lösen können als klassische Rechner. In rudimentären Ansätzen wurden solche Quantencomputer bereits realisiert. Es ist aber nicht klar, ob man bei einer weiteren Steigerung der Leistungsfähigkeit "an irgendwelche fundamentalen Grenzen stößt und die Natur sagt, nein das geht nicht", so der Wiener Physiker Philip Walther. Er hat nun mit Kollegen in der Fachzeitschrift "Nature Photonics" den Prototyp eines Quantencomputers vorgestellt, den er als "einen der heißesten Kandidaten" bezeichnet, um schon in einigen Jahren mit geringem technischen Aufwand erstmals einen klassischen Supercomputer zu übertrumpfen.

Superposition

Derzeit existieren unterschiedliche Konzepte, mit denen sich ein Quantencomputer realisieren ließe. Alle nutzen dabei die eigenartig anmutenden Gesetze der Quantenwelt: In der klassischen Informationstechnologie kann ein Bit nur zwei Zustände (Ja/Nein oder 0/1) haben, beim Quantencomputer kann ein Quantenzustand als kleinste Informationseinheit, ein sogenanntes Quantenbit (Qubit), dagegen verschiedene Schwebezustände - von den Physikern "Superposition" genannt - zwischen zwei Möglichkeiten einnehmen. Dieses Phänomen soll dem Quantencomputer erlauben, bestimmte Probleme wesentlich schneller zu lösen als ein klassischer Computer.

Gläserner Chip

Ein vielversprechendes Konzept für einen Quantencomputer nutzt Lichtteilchen (Photonen). Sie bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit über weite Strecken, ohne dabei ihre Information zu verlieren. Die Wissenschafter um Max Tillmann und Philip Walther von der Universität Wien und ihre Kollegen von der Uni Jena haben nun einen Prototypen eines Quantencomputers gebaut, ein sogenannter "Bosonen Sampling Computer". Es handelt sich dabei um einen gläsernen Chip aus Silica, in den fünf sich kreuzende Lichtbahnen mit ebenso vielen Ein- und Ausgängen gefräst wurden. Die Lichtteilchen, die in dieses optische Labyrinth geschickt werden, folgen den quantenmechanischen Gesetzen, d.h. sie können mehrere Wege gleichzeitig gehen, also Superposition einnehmen, sich abschwächen oder verstärken.

Mathematisches Problem

Dieses Verhalten der Photonen zu berechnen, sei ein extrem schwieriges mathematisches Problem, sagte Walther. Bei einem Chip mit fünf Bahnen, wie derzeit verwendet, schaffe es ein klassischer Computer durchaus noch, die Bewegung der Photonen durch das optische Netzwerk vorherzusagen. "Bereits bei 400 einander kreuzenden Bahnen und 20 Photonen wäre ein solche Experiment aber so kompliziert, dass kein Supercomputer heute in der Lage wäre, das zu simulieren", so Walther.

Natur liefert Ergebnis

Der von den Wissenschaftern gebaute Chip mit den fünf Bahnen erlaubt allerdings, sehr einfach die mit klassischen Computern durchgeführte Simulation zu überprüfen: Denn ob der herkömmliche Rechner recht hat oder nicht, sagt den Physikern das Licht: "Wir messen einfach nach, wo die Photonen rauskommen und wie sie sich verteilen - die Natur liefert uns das Ergebnis gratis", betonte der Physiker.

Verlust noch zu hoch

Der große Vorteil dabei sei das vergleichsweise einfache Konzept, das als "heißer Kandidat gilt, um im Labor etwas zu zeigen, was man nicht berechnen kann". Während anderen Gruppen die Realisierung ihrer Konzepte, etwa Quantengatter, "den Schweiß auf die Stirn treibt", könnte man heute schon 400 Lichtbahnen in einen Chip fräsen. Noch sei die Qualität nicht ausreichend und daher der Verlust an Photonen zu hoch. In zehn bis 15 Jahren werde man aber so weit sein, ist Walther überzeugt.

Aus diesem Grund sei dieses Konzept so vielversprechend - weshalb auch weltweit daran gearbeitet wird, in einem für die Quantenphysik üblichen globalen Wettrennen. Gleichzeitig mit den Wiener Physikern haben Gruppen aus Italien, Australien und Großbritannien ihre Ergebnisse über diese Art von Quantencomputern veröffentlicht.

Kein universeller Quantencomputer

Walther, 2011 mit dem Start-Preis, der höchstdotierten und anerkanntesten Förderung für Nachwuchsforscher in Österreich ausgezeichnet, räumt aber auch die Nachteile dieses Konzepts ein. "Das ist kein universeller Quantencomputer. Man kann sich damit ein sehr spezielles Problem anschauen - die möglichen Bahnen, wo die Photonen den Chip verlassen - was für Enduser vermutlich ohne Relevanz ist." Es gebe aber Kollegen, die daran arbeiten, ob man nicht auch andere Probleme mit diesem Konzept lösen könne. (APA, 13.5.2013)