Liezen/Leoben - Ein 62-jähriger Pensionist hat am Samstag in der Obersteiermark durch die Schlafzimmertür hindurch auf seinen Nachbarn geschossen und ihn dreimal getroffen. Das Opfer wurde schwer verletzt, konnte aber zusammen mit Angehörigen den Schützen überwältigen. Am Sonntag kritisierten Polizeikreise die Staatsanwaltschaft, denn der Verdächtige sei amtsbekannt und habe die Bewohner des Orts seit längerem ohne Konsequenzen tyrannisiert.

Samstagvormittag geriet der 62-Jährige mit seinem 36-jährigen Nachbarn und dessen 59-jährigen Vater in Streit. Dabei hat der Pensionist die beiden bedroht. Kurz darauf stand die Polizei vor seiner Tür und bat ihn zur Einvernahme auf die Inspektion zu kommen.

Illegale Waffe

Der Obersteirer sagte sein Erscheinen zwar zu, wollte aber vorher mit seinem Anwalt sprechen. Tatsächlich jedoch holte er eine Pistole, die er illegal besaß, stürmte zum Haus seiner Nachbarn und gab laut Bedrohungen von sich. Die Ehefrau des 36-Jährigen warnte ihren Mann, das Paar versteckte sich im Schlafzimmer, während der Pensionist durch die nicht abgesperrte Hintertür ins Haus gelangte.

Der Verdächtige versuchte, ins Schlafzimmer zu gelangen, der 36-Jährige drückte sich dagegen. Daraufhin schoss der Täter sieben Mal durch die Tür und traf den Nachbarn dabei im Gesicht, am Rücken und am Oberschenkel. Durch den Lärm wurde der Vater des 36-Jährigen aufmerksam. Zu dritt überwältigten sie den 62-Jährigen. Nach dem Eintreffen der Polizei und der Rettung wurde das Opfer ins Spital nach Bad Aussee gebracht, der mutmaßliche Täter musste wegen Rippenbrüchen ebenfalls in ein Krankenhaus.

Kritik an Staatsanwaltschaft

Der Verdächtige sei in seinem Heimatort als "Tyrann" bekannt gewesen, hieß es am Sonntag aus Polizeikreisen. Seit Jahren seien Anzeigen an die Staatsanwaltschaft Leoben geschickt worden, doch wirklich genützt habe das nicht: "Der hatte bei Gericht bisher Narrenfreiheit", so der Vorwurf einer der APA namentlich bekannten Quelle. Man habe "vermutet, dass so was einmal passiert." Die Staatsanwaltschaft wollte die Vorwürfe nicht kommentieren.

Der Verdächtige war wegen aggressiven Verhaltens amtsbekannt und öfter in Raufereien verwickelt. Er habe zugegeben, sich Waffen illegal beschafft zu haben. Insgesamt wurden nach der Tat am Samstag vier Langwaffen und eine Kleinkaliberpistole, Modell Walther Taschen Pistolen Hahn (TPH), bei ihm bzw. in seinem Haus gefunden.

Anklage wegen Mordversuchs

Nach der Behandlung im Spital soll der Verdächtige in der Justizanstalt Leoben in Untersuchungshaft genommen werden, erklärte Staatsanwältin Nicole Dexer. Er werde sich wegen Mordversuchs verantworten müssen. Den Vorwurf, wonach die Staatsanwaltschaft zu wenig hart durchgegriffen habe, könne sie nicht kommentieren, da etwaige vorherige Delikte dem Datenschutz unterliegen, sagte Dexer.

Eine Expertin übte Kritik an den Strafverfolgungsbehörden: "Anscheinend war der Mann innerhalb und außerhalb seiner Familie als gewalttätig bekannt, es hat Vorzeichen gegeben, geschehen ist offenbar nichts", sagte Rosa Logar von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie am Sonntag. "Die Behörden haben zu spät reagiert - es musste erst was passieren." (APA, 12.5.2013)