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Die GERB-Partei von Bojko Borissow liegt bei den Parlamentswahlen in Bulgarien knapp vorn.

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Ausschreitungen in Sofia.

Foto: EPA/GEORGI LICOVSKI

Sofia - Bei der Parlamentswahl in Bulgarien hat die Partei des zurückgetretenen Regierungschefs Boiko Borissow den Sieg errungen, eine klare Mehrheit im Parlament jedoch verfehlt. Die bürgerliche Partei erhielt am Sonntag 30,7 Prozent der Stimmen, teilte die Zentrale Wahlkommission gegenüber der APA am Montag nach Auszählung von 96 Prozent der Stimmzettel mit. Die Sozialisten erhielten 27,2 Prozent der Stimmen. Den Sprung über die Vier-Prozent-Hürde in das Parlament schafften auch die Bewegung der türkischen Minderheit DPS (10,6 Prozent) und die nationalistische Ataka (7,4 Prozent). Die Wahl wurde von Betrugsvorwürfen überschattet, am Abend gab es in Sofia gewaltsame Proteste.

Etwa 150 Demonstranten versuchten in Sofia, den Kulturpalast zu stürmen, wo sich das Pressezentrum für Journalisten befand und im Laufe des Abends die wichtigsten Politiker des Landes erwartet wurden. Dabei kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die Demonstranten skandierten immer wieder "Mafia!", es wurden Steine und Flaschen geworfen.

Für Borissows Partei Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens (GERB) stimmten den auf Nachwahlbefragungen beruhenden Prognosen zufolge 30,4 bis 34 Prozent der Wähler. Die oppositionelle Bulgarische Sozialistische Partei (BSP) erhielt demnach 25,3 bis 27,1 Prozent. Mindestens zwei weitere Parteien schafften den Sprung über die Vier-Prozent-Hürde: Drittstärkste Kraft wurde den Prognosen zufolge das Sammelbecken der muslimischen Minderheit und der ethnischen Türken (DPS) mit 10,0 bis 11,5 Prozent, gefolgt von der rechtsextremen, rassistischen Ataka mit 7,3 bis 8,6 Prozent.

SORA bestätigt Ergebnis

Hochrechnungen des österreichischen Meinungsforschungsinstituts SORA bestätigten in der Nacht auf Montag die ersten Trends aufgrund von Nachwahlbefragungen. Laut SORA dürfte GERB rund 30,5 Prozent der Stimmen erhalten und somit als erste Regierungspartei seit der Wende eine Wahl gewonnen haben. Auf Platz zwei landeten demnach die Sozialisten mit circa 26,2 Prozent. SORA war von einer Reihe oppositioneller Parteien für eine Parallel-Zählung engagiert worden, um einen korrekten Ablauf der Wahl zu garantieren. Die DPS erhielt laut SORA 11,0 Prozent der Stimmen, Ataka 7,3 Prozent.

Regierungsbildung völlig unklar

Wie nach diesen Ergebnissen eine stabile künftige Regierung aussehen könnte, war am Sonntagabend völlig unklar. Womöglich wird Borissow trotz seines Sieges nicht die neue Regierung anführen. Der konservative Politiker war im Februar nur wenige Monate vor dem regulären Ende seiner Amtszeit nach massiven Protesten gegen explodierende Strompreise zurückgetreten. Sein Sparkurs hatte die öffentlichen Finanzen saniert, die Wirtschaft im ärmsten Mitglied der Europäischen Union aber abgewürgt.

Ataka-Chef Wolen Siderow teilte seinerseits dem TV-Sender "Nova" mit, dass er für eine Regierungsbeteiligung bereit stehe. Bisher habe es seitens GERB aber keine Bereitschaft dafür gegeben. Aus der DPS verlautete, man sei für eine breite Koalition bereit sei. In dieser könnten sogar Parteien vertreten sein, die den Einzug ins Parlament nicht geschafft hätten. Sozialisten-Chef Sergej Stanischew betonte in der Wahlnacht, dass er sogar die Nationalisten von "Ataka" kontaktieren werde, um GERB von der Macht fernzuhalten.

Massive Betrugsvorwürfe

Der Urnengang war von massiven Betrugsvorwürfen überschattet. Am Samstag beschlagnahmten Ermittler in einer privaten Druckerei unweit der Hauptstadt Sofia 350.000 gefälschte Stimmzettel. Nach Angaben der Nachrichtenagentur BGNES unterhält der Druckereibesitzer enge Verbindungen zu Borissow. Die Opposition bezichtigte die GERB daraufhin des Wahlbetrugs. "350.000 Stimmzettel entsprechen zehn Prozent der erwarteten Wahlbeteiligung", sagte der Parteichef der Sozialisten, Sergej Stanischew. Die Staatsanwaltschaft gab zu den möglichen Hintergründen der Stimmzettel-Fälschung zunächst keinen Kommentar ab.

Fast 114.000 Bulgaren gaben ihre Stimme im Ausland ab, berichtete die Nachrichtenagentur BETA. Insgesamt seien in 227 Wahllokalen in 57 Ländern Stimmen abgegeben worden, die meisten in der Türkei (65.035) und Spanien (9.988). In Österreich gingen demnach 1.700 Personen zur Bulgarien-Wahl. In den USA, Kanada und Argentinien war die Stimmabgabe in der Nacht auf Montag noch nicht abgeschlossen.

Die Wahlkommission wollte das Ergebnis des Urnengangs erst am Montag verkünden. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) entsandte ein Großaufgebot an Beobachtern. Deren Einschätzung wurde ebenfalls für Montag erwartet. (APA, 13.5.2013)