Die Spitzenreiter-Messungen der vergangenen Jahre ergaben Werte im Bereich von 100 Dezibel - das entspricht etwa dem Lärm einer Motorsäge.

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Linz/Wien - Wenn Peter Androsch mit Vertretern der GPA und der katholischen Kirche ein Geschäft betritt, freut dies den Verkaufsleiter wenig. Erscheint das Trio doch zu einer wenig schmeichelhaften Preisverleihung. Es kürt nämlich den Zwangsbeschaller des Jahres. Vorigen Dezember zeigte sich der "Gewinner" derart verärgert, dass er das "Preiskomitee", welches die hölzerne Trophäe eines verletzten Ohres überreichen wollte, kurzerhand des Ladens verwies. Doch die Kampagne " Beschallungsfrei - Gegen Zwangsbeschallung" wird nichtsdestotrotz ausgeweitet.

Dieses Jahr beginnen die Lärmmessungen schon im Sommer und nicht erst in der Adventzeit. Bundesweit werden bei Testkäufen die Schallpegelwerte in den Geschäften gemessen. Der letztjährige Sieger, eine Filiale des US-Modelabels Hollister in Salzburg, schaffte es auf einen Wert von 99 Dezibel, was einer Kettensäge entspricht. Auch die Jahre zuvor waren es immer Modegeschäfte, die wegen ihrer zu lauten Hintergrundmusik "ausgezeichnet" wurden. Die spanische Modekette Desigual dröhnt(e) ihre Angestellten und Kunden in der neuen Filiale am Wiener Westbahnhof mit 100 Dezibel zu. "Disco mit angeschlossenem Verkauf heißt in dieser Branche offenbar die Devise", meint Androsch.

Auch Positiv-Plaketten

Der Komponist entwickelte für das Europäische-Kulturhauptstadt-Jahr 2009 in Linz die Idee einer Hörstadt. Hauptanliegen: eine menschengerechte Gestaltung der akustischen Umwelt. Die Kampagne gegen Dauerberieselung von der Wurstabteilung bis zum Klo war ein Teil davon. Dabei gibt es auch Positivkennzeichnungen: "Beschallungsfrei - Zone ohne Hintergrundsmusik" und ein stilisiertes Ohr klebt an Türen jener Läden, die auf Berieselung verzichten.

Inzwischen wird die Aktion österreichweit von der Gewerkschaft der Privatangestellten und von der katholischen Kirche mitgetragen. "Denn für Beschäftigte im Handel und in Dienstleistungsbetrieben ist Hintergrundmusik oft eine schwere psychische und gesundheitliche Belastung", erklärt die Gewerkschaft. So wird laut Arbeitnehmerschutz " Lärm über einem Beurteilungspegel von 85 Dezibel als gehörgefährdender Lärm" eingestuft. Damit müssten die Zwangsbeschaller des Jahres ihren Verkäufern einen Gehörschutz verpassen.

"Akustischen Nebel lichten"

Doch nicht nur die laute Musik im öffentlichen Raum wollen Androsch, GPA und die katholische Kirche abdrehen. Sie versuchen auch den "akustischen Nebel" zu lichten. Dazu zählt etwa das ständige leise Brummen einer Tiefkühltruhe oder das Surren einer Klimaanlage in einem Lebensmittelgeschäft. Auch diese permanente Geräuschkulisse führe zu Stress, sagt Androsch.

Die Uni Linz hat übrigens im Auftrag von Spar Oberösterreich eine Studie zur Optimierung der akustischen Verhältnisse in ihren Märkten erarbeiten lassen. Diese Ergebnisse wurden bei der Renovierung der Filiale im Untergeschoß des Passage-Centers in Linz berücksichtigt. (Kerstin Scheller, DER STANDARD, 13.5.2013)