Mit der "Drehscheibe" kümmert sich Norbert Ceipek um minderjährige Flüchtlinge.

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Oft würden Roma-Kinder zum Betteln "in den Westen geschickt", sagte er dem STANDARD. Das sorgt für Aufregung.

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Wien - Es war ein langes Gespräch über heikle Themen. Und es blieb nicht ohne Folgen. Norbert Ceipek, Mitarbeiter der Wiener Jugendwohlfahrtsbehörde MA 11 und Leiter der "Drehscheibe", die sich um unbegleitete Minderjährige aus dem Ausland kümmert, sieht sich dem Vorwurf des Rassismus ausgesetzt, erhoben von Kollegen aus den eigenen Reihen. Die MA 11 hat ihm vorerst einen "Maulkorb" verpasst - Ceipek darf bis auf weiteres nicht mehr mit Medien sprechen.

Und der zuständige Stadtrat Christian Oxonitsch (SP)? Er wolle, dass "Ruhe einkehrt", ließ er via Pressesprecher ausrichten, zudem habe er die MA 11 angewiesen, ihre internen Angelegenheiten auch intern zu regeln - bei 27.000 Mitarbeitern könne er sich nicht um jede Streitigkeit persönlich kümmern.

"Geschäftsmodell mächtiger Paschas"

Ceipek hatte sich im STANDARD-Interview am 30. März zum Elend von Roma-Kindern geäußert, die von Clanchefs zum Betteln "in den Westen" geschickt würden. Er sprach über das "Geschäftsmodell", das mächtige Paschas auf dem Rücken der Kinder aufgebaut hätten. Diese Beobachtungen hatte er einige Wochen zuvor auch im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung geschildert.

Ceipek erzählte auch, dass die Drehscheibe afghanische Kinder beherberge - und dass, nach seinen Beobachtungen, immer mehr afghanische Kinder als "Vorboten" geschickt würden. Ceipek: "Ihre Eltern erwarten explizit, dass die Kinder so schnell wie möglich Asyl bekommen, um den Rest der Familie nachholen zu können. Unter diesem enormen psychischen Druck zerbrechen die Kinder fast. "Es müsse ein "Modus Operandi" gefunden werden, oder man müsse den Nachzug von Familienmitgliedern noch restriktiver handhaben - "denn die betroffenen Kinder sind für immer kaputt".

"Abgelehnt und verurteilt"

Ceipek hat sich intern offenbar Feinde gemacht. Es dauerte nicht lange, da verfasste der "Berufsgruppenausschuss der Sozialarbeiterinnen der MA 11" eine "einstimmige öffentliche Erklärung gegen Rassismus und Menschenrechtseinschränkungen". Darin heißt es, Ceipek habe mit seinen Äußerungen "den Tatbestand des Rassismus" erfüllt, das werde "auf das Entschiedenste abgelehnt und verurteilt". Es erscheine den Unterzeichnern "wichtig, dass auch von Dienstgeberseite und von politischer Seite betont wird, dass die Ansichten von Kollegen Ceipek nicht der offiziellen Meinung der MA 11 entsprechen". Unterzeichnet wurde der Brief vom roten Gewerkschaftsfunktionär Andreas Schadauer, geschickt wurde er an Oxonitsch und alle rund 3000 Mitarbeiter der MA 11.

Mobbing vs. Rassismus

Dies grenze an Mobbing gegen einen, der mit seinem Engagement aus dem Durchschnitt herausrage, sagt ein MA-11-Kollege, der nicht genannt werden will. Ob das Ziel dieser Erklärung sei, Ceipek als Drehscheibe-Chef loszuwerden, fragte der STANDARD Gewerkschafter Schadauer: "Keineswegs", kontert der, im Übrigen müsse er sich für die Erklärung nicht rechtfertigen. Nach einigem Hin und Her dann doch die Erklärung: Es sei "nicht das erste Mal", dass Norbert Ceipek durch "starke und stark vereinfachende Worte" auffalle. Ob er, Schadauer, Ceipek für einen Rassisten halte? Schadauer weicht aus: "Wenn er etwa von 'den' Romaclan-Chefs spricht, dann spricht er in Stereotypen. Das befördert Vorurteile, wie sie die FPÖ gerne bedient."

Dem widerspricht eine Gruppe von zehn Kollegen Ceipeks, die nun ihrerseits eine öffentliche "Stellungnahme" zu seiner Verteidigung abgegeben haben: Ceipek habe "das Phänomen der Kindeswohlgefährdung" beschrieben, das "dazu zwingt, sich darüber Gedanken zu machen, wie dem Einhalt geboten werden kann". Was die Gefährdung afghanischer Kinder betreffe, "ist völlig offensichtlich, dass ihm der Schutz dieser Kinder wichtig ist und er auf der Suche nach Lösungen ist".

"Falscher Solidaritätsbegriff"

Was Ceipeks Kritik an Romaclan-Chefs betreffe, bringe er "ein Problem zur Sprache, das er wie kein anderer kennt": "Treten bestimmte die Menschenrechte verletzende Phänomene in besonderem Maße in Zusammenhang mit einer Volksgruppe auf, muss es erlaubt sein oder ist es sogar eine Pflicht, darauf hinzuweisen. Andernfalls bleiben die Opfer ungeschützt und die Täter durch einen falschen Solidaritätsbegriff (gegenüber einer Minderheit) geschützt." Den Gewerkschaftern um Schadauer wirft die Gruppe "eine völlige Fehlinterpretation und Verunglimpfung eines Kollegen, der durch sein Engagement besonders heraussticht", vor.

Und was sagt Ceipek selbst? "Ich kann zu alldem nichts mehr sagen." Der "Maulkorb" sitzt offenbar fest. (Petra Stuiber, DER STANDARD, 13.5.2013)