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Foto: EPA/Larry W. Smith

STANDARD: Sie sind viel in den USA unterwegs. Was macht Amerika bei Energie richtig, was Europa falsch?

Grohmann: Die USA haben eine Energiepolitik, die von wirtschaftlichen Überlegungen getrieben ist. Und sind damit mehrfach Gewinner.

STANDARD: Inwiefern?

Grohmann: Die USA haben vor sieben, acht Jahren die Shale-Drilling-Technologie erfolgreich entwickelt und eingesetzt, was zum Schiefergasboom geführt hat. Jetzt verfügen sie über sehr günstige Energie. Der Gaspreis etwa liegt bei einem Drittel des europäischen. Die Folge ist eine Reindustrialisierung. Die energieintensive verarbeitende Industrie kehrt nach Amerika zurück, es entstehen viele neue Arbeitsplätze.

STANDARD: Sind das nicht Scheinargumente? Gerade die energieintensive Industrie profitiert in Europa davon, dass sie von der Energieumlage befreit ist und niedrige Strompreise im Großhandel findet, die Wind und Sonne geschuldet sind.

Grohmann: Das Überangebot an Wind- und Solarstrom kommt ja nur zustande, weil das Füllhorn über sie ausgeschüttet wird. Zahlen tun das letztlich wir alle. Wie lange wir uns das noch leisten können, ist angesichts der Schuldensituation fraglich.

STANDARD: Gibt es weitere Vorteile der US-Energiepolitik?

Grohmann: Dass die USA Gewinner beim CO2-Ausstoß sind. Obwohl sie das Kioto-Protokoll nicht unterschrieben haben, ist ihnen letztes Jahr die weltweit größte Einsparung beim Ausstoß von Klimagasen gelungen.

STANDARD: Allerdings von einem hohen Niveau kommend.

Grohmann: Zugegeben. Dennoch ist es beachtlich. Viele Kohlekraftwerke wurden auf Gas umgestellt. Gas emittiert 40 Prozent weniger CO2 als Kohle. In Europa hingegen ist der Kohleverbrauch gestiegen.

STANDARD: Wobei in der öffentlichen Meinung Öl und Gas als böse, Wind- und Sonnenenergie als gut gelten. Was sagen Sie dazu?

Grohmann: Es gibt nichts zu sagen gegen Wind und Sonnenenergie, man muss aber sehen, in welchem Entwicklungsstadium sich diese befinden. Ohne Förderungen läuft nichts. Es ist in Ordnung, wenn erneuerbare Energien in der Anfangsphase unterstützt werden. Irgendwann muss es aber auch ohne Förderungen gehen.

STANDARD: Sie helfen mit ihren Spezial-Tools und Bohrstrangteilen mit, dass der Öl- und Gasfluss nicht abreißt. Kein schlechtes Gewissen, wenn sie an das CO2 denken?

Grohmann: Im Gegenteil. Auch die nächsten 20 Jahre wird mehr als die Hälfte der Energie aus Öl und Gas kommen. Andernfalls können wir uns den Lebensstandard nicht leisten, wir würden weltweit auf extreme Verarmung zusteuern. Der Beitrag, den wir leisten, ist wichtig für das Wirtschaftswachstum und für die soziale Sicherheit. Langfristig, 50 Jahre plus, wird es wahrscheinlich andere Energieformen geben. Im Moment führt kein Weg an Öl und Gas vorbei.

STANDARD: Wie lange reichen die Kohlenwasserstoffvorräte noch?

Grohmann: Wenn man die Kohle einbezieht, ist kein Ende in Sicht. Als Erstes wird man bei Öl an Grenzen stoßen, auch wenn die bestätigten Reserven so groß wie schon lange nicht sind. Anfang 2000 waren es 1200 Milliarden Barrel (je 159 Liter, Anm.), jetzt sind es 1600 Milliarden Barrel. Beim heutigen Energieverbrauch ist die Ölversorgung allein mit den bestätigten Reserven für 50 Jahre gesichert - und es kommen sicher neue hinzu. Für die nächsten hundert Jahre jedenfalls ist genug Öl da. Von Gas gibt es ein Vielfaches, Kohle noch viel mehr.

STANDARD: Auf der Suche nach neuem Öl muss vermehrt in Tiefseegebiete ausgewichen werden.

Grohmann: Das spiegelt sich auch im Ölpreis. Rohöl kostete vor etwa zehn Jahren 25, 30 Dollar je Barrel. Jeder Analyst hat geglaubt, wenn der Ölpreis nachhaltig über 35 Dollar je Fass klettert, haben wir eine ewig währende Rezession. Heute wissen wir, dass dem nicht so ist. Bohrinseln der modernsten Art kosten eine Million Dollar - pro Tag. Damit sich das rechnet, braucht es einen Ölpreis von mindestens 90 Dollar je Fass.

STANDARD: Schiefergas in Europa scheint kein Renner zu werden.

Grohmann: Man kann die Technologie aus den USA nicht eins zu eins anwenden, man muss sie adaptieren. Das Zweite ist der politische Wille. Da gibt es Zeichen für ein Umdenken in der EU. England hat Schiefergas erlaubt, Frankreich wird es noch lange nicht tun. Polen hat den politischen Willen, unabhängig zu werden von russischem Gas, kämpft aber mit der Geologie. Ich glaube, als Nächstes werden wir in China einen Aufschwung bei Schiefergas erleben. Dort gibt es zwar auch geologische Hürden, gleichzeitig aber das politische Bekenntnis, möglich unabhängig von Importen zu werden.

STANDARD: Je mehr Schiefergasexploration, desto besser für Sie?

Grohmann: Schiefergasbohrungen sind immer horizontal, so gesehen ist es gut für unser Geschäft. Da haben wir Expertise. Offshore wird ebenfalls horizontal gebohrt, wie übrigens auch immer mehr  konventionelle Landbohrungen, weil das leicht zu fördernde Öl schon gefördert ist und directional drilling eine wichtige Technologie ist, um an noch vorhandene Öltaschen heranzukommen.

STANDARD: Es gibt riesige Methangasvorkommen in Sedimenten von Küstenmeeren. Interessant?

Grohmann: Nicht unser Geschäft.

STANDARD: Wenn Sie aber an ein zusätzliches Standbein denken, würde sich so etwas dann anbieten?

Grohmann: Nein, die wirtschaftliche Nutzung von Methangas geht weit über jeden strategischen Planungszeitraum hinaus. Wir versuchen, Schoeller-Bleckmann so zu positionieren, dass wir hier und jetzt Nischen erfolgreich besetzen, da ist Methangas zu weit weg. Momentan sehen wir auf den Äckern, die wir bewirtschaften, noch sehr viel Ertragsmöglichkeit. (Günther Strobl, DER STANDARD, 13.5.2013)