Was haben Pendlerpauschale, Absetzbarkeit von Mehrausgaben für Diätverpflegung chronisch Kranker und von Kinderbetreuungskosten, Bildungs- und Forschungsprämie, Kinderfreibetrag, Überstundenbegünstigung, Absetzbarkeit von Kirchenbeitrag und Zuwendungen an die Freiwillige Feuerwehr, Betriebsausgabenpauschale, Gewinnfreibetrag und begünstigte Besteuerung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld gemeinsam? Sie alle finden sich in einer Liste von 558 Begünstigungen in der Einkommensteuer, die der Rechnungshof kürzlich veröffentlicht hat. Und was haben Arbeitnehmer, Familien, 99 Berufe vom Haarschmuckerzeuger bis zum Holzbildmacher, Pendler, aus dem Ausland zugezogene Künstler und Sportler, chronisch Kranke, Selbständige, Personenunternehmen und Empfängerorganisationen von freiwilligen Zuwendungen gemeinsam? Sie alle sind potentielle Begünstigte einkommensteuerrechtlicher Ausnahmeregelungen.

Der Rechnungshof kritisiert insbesondere die mangelnde Transparenz der Begünstigungen. Finanzpolitiker interessieren sich für diese dagegen auch aus fiskalischen Gründen. Auf mindestens neun Milliarden Euro werden die Steuerausfälle durch Begünstigungen für das Jahr 2009 beziffert. Das sind immerhin über ein Drittel der gesamten Einnahmen aus der Einkommensteuer. Auf den ersten Blick viel Manövriermasse, um aktuelle Steuersenkungsideen zu finanzieren: Etwa die Reduktion des Eingangssteuersatzes auf 25 Prozent, die nach jüngsten Berechnungen von Statistik Austria über vier Milliarden Euro kosten würde.

Die radikale Durchforstung und Einschränkung von Begünstigungen in der Einkommensteuer sollte in der Tat eine der steuerpolitischen Prioritäten im nächsten Regierungsprogramm sein. Nicht nur, um das Einkommensteuerrecht einfacher und transparenter zu machen. Sondern auch deshalb, weil Ausnahmen oft die oberen Einkommen mit den hohen Steuersätzen besonders entlasten: nämlich dann, wenn sie wie absetzbare Kinderbetreuungskosten, Kirchenfreibetrag oder Spenden das zu versteuernde Einkommen senken.

Aber auch die Begünstigung des 13. und 14. Monatsgehaltes nützt den hohen Einkommen mehr als den unteren: Statt mit 50 Prozent Spitzensteuersatz müssen sie Urlaubs- und Weihnachtsgeld nur mit sechs Prozent versteuern. Die über vierzig Prozent der Einkommensteuerpflichtigen, die wegen ihrer geringen Einkommen keine Steuern zahlen, profitieren von solchen Regelungen nicht. Für OECD und EU-Kommission ist der Abbau von Steuerbegünstigungen eine gute einnahmenseitige Konsolidierungsoption.

Anders als viele andere Steuererhöhungen, die unerwünschte Nebenwirkungen haben können, kann die Beseitigung von Ausnahmen sogar bestehende problematische Anreize verringern: Wenn zum Beispiel Überstundenmachen oder Pendeln weniger großzügig entlastet wird. Das österreichische Konsolidierungsprogramm hat solche Möglichkeiten kaum genutzt. Sie stehen daher jetzt zur Verfügung, um die Senkung der hohen nominellen Steuersätze gegenzufinanzieren. Allerdings sollte die Manövriermasse realistisch eingeschätzt werden. Nicht wenige Begünstigungen können - wie jene für Bildung und Forschung - gut begründet werden. Andere, wie Betriebsausgabenpauschalen, sollten zwar gestrafft werden, ihre ersatzlose Streichung ist allerdings nicht zielführend. Der mit Abstand größte Posten bleiben die fast sechs Milliarden Euro Steuerausfall bei Weihnachts- und Urlaubsgeld. Dessen reguläre Besteuerung würde Spielraum für die überfällige Tarifreform mit wesentlich geringeren Steuersätzen schaffen. (Margit Schratzenstaller, DER STANDARD, 11.05.2013)