Ein Weltstar wird geboren: Richard Gere 1980 in Paul Schraders gnadenloser Materialismusstudie "American Gigolo". Michelle (Lauren Hutton) wird sein Verhängnis.

Foto: Österreichisches Filmmuseum
Wien - Die Erinnerung ans Kinojahrzehnt der 1980er könnte Folgendes beinhalten: die jungen Gesichter von Melanie Griffith, Debra Winger und Rosanna Arquette, Richard Gere, Mickey Rourke und Matt Dillon. Das Plakat zu Jim Jarmuschs Stranger Than Paradise und den Soundtrack zu Flashdance. Jamie Lee Curtis in Blue Steel und Bruce Willis in Die Hard. Robocops, Aliens und Terminatoren. David Lynchs intensiv gefärbtes Melo Blue Velvet und Spike Lees schwarzweiße Beziehungskomödie She's gotta have it.

Diese Erinnerung hängt an individuellen Erfahrungen. Fürs Österreichische Filmmuseum hat das Berliner Kuratorenkollektiv The Canine Condition gesichtet und 47 Arbeiten ausgewählt, die die "wahren Achtziger" zeigen wollen. Und zwar ausgehend von einer landläufigen Annahme, dass dieses Jahrzehnt - eine Dekade, die das (postmoderne) Spiel mit Oberflächen weitertreibt, den Blockbuster nach Konzept fortsetzt und das Publikum nicht nur via VHS-Heimkino auf neue Art einspinnt - eine Dekadenzphase des US-Kinos markiert hat.

Angesichts des Reichtums an Formen und Erzählungen, den nicht nur die für die Retro ausgewählten Filme abbilden, muss man das sowieso verneinen. Das Erbe der früheren Jahrzehnte wird nicht einfach so verpulvert, die Karrieren der jungen Wilden von New Hollywood (Coppola, Scorsese, Hopper et al.) gehen unter veränderten Vorzeichen weiter. Mavericks wie John Sayles bleiben unbeirrbar außen vor. Techniker und Handwerker wie James Cameron oder Roger Spottiswoode haben immer Saison. Frauen in Schlüsselpositionen bleiben hinter der Kamera die Ausnahme (Elaine Mays Karriere wird 1987 spektakulär mit Ishtar begraben).

Cooles Debüt

Auch in den Achtzigern gibt es Enden und Anfänge: Robert Aldrich lässt in seinem letzten Film All the Marbles 1981 Peter Falk eine Catcherinnentruppe managen. Im selben Jahr veröffentlicht Michael Mann seine erste Regiearbeit, Thief. James Caan spielt einen Profi-Safeknacker, neben ihm bleibt die großartige Tuesday Weld leider unterfordert. Die Originalmusik kommt von Tangerine Dream, Koproduzent ist ein gewisser Jerry Bruckheimer.

Der Film, einer jener "Neo- Noirs", wie sie für die 80er noch charakteristisch werden, spielt vornehmlich nachts - oder in Innenräumen, die vergessen lassen, dass draußen Tag ist. Im regennassen Asphalt spiegelt sich buntes Licht, auch sonst verweisen die Bilder auf Stilwillen. Mann interessiert schon damals die Materialität des Stadtraums - Glas, Beton, Stahl - und deren buchstäbliche Bearbeitung: aufschweißen, reinbohren, (in Zeitlupe) sprengen. Im Verlauf des Jahrzehnts wird Mann zunächst beim TV reüssieren (Miami Vice). Als Filmemacher wird er sich erst in den 90ern etablieren, dabei aber stets etwas von jener Kühle behalten, die er schon in den 80ern forciert.

Neben coolen Thrillern gibt es im Programm komische Klassiker wie Airplane! und Amy Heckerlings Highschool-Comedy Fast Times At Ridgemont High (1982). Oder ein Wiedersehen mit River Phoenix, dem James Dean seiner Generation (1970 - 1993): In Running on empty, einem ungewöhnlichen Drama, das Regieveteran Sidney Lumet 1988 inszenierte, spielt er den halbwüchsigen Sohn untergetauchter linker Ex-Terroristen. Als er seinem Talent folgen will und ein Mädchen (Martha Plimpton) kennenlernt, beginnt die wendige Kleinfamilieneinheit zu zerbröckeln. Auch solche Geschichten hatte das US-Kino der Achtziger zu erzählen. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 11./12.5.2013)