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Karl Theodor zu Guttenberg war zu Gast in Wien.

Foto: APA/Hochmuth

Auch wenn Strache noch so laut keppelt, Europa ist es wohl wert, dass sich die besten Köpfe seiner unterwinden. Diese Woche waren es Michael Spindelegger und Karl Theodor zu Guttenberg, moderiert vom Chefredakteur des "Kurier". Die schier unerträgliche Spannung, unter der die Diskussion Dienstag in der Wiener Hofburg stand, war dadurch garantiert, dass erstens der für die innere Form seiner schriftlichen Examensarbeit bekanntgewordene deutsche Ex-Minister als "Stargast" feilgeboten wurde, und zweitens, dass sämtliche Teilnehmer derselben Meinung zu Europa waren, womit die Diskussion ihre schärfste Würze von dem Podium erfuhr, auf dem sie stattfand.

Um den Lesern des "Kurier" den Mund wässerig zu machen, berichtete die Redaktion bereits am Vortag, was auf demselben zur Sprache kommen sollte, und vor allem, warum es dazu des "Stargastes" bedurfte. "Er tritt nicht oft in Europa auf, aber wenn, dann ist er ein" – zumindest vom "Kurier" als Beiwagerl zum Wahlkampfstar Spindelegger – "viel beachteter Gast". "Der frühere deutsche Wirtschafts- und Verteidigungsminister ist nach seiner Plagiatsaffäre in die USA 'ausgewandert' und dort unter dem Titel 'renommierter Staatsmann'  für den Washingtoner Thinktank 'Center for Strategic and International Studies' tätig". "In dieser Funktion" – ob als "renommierter Staatsmann" oder als "Washingtoner Thinktanker" blieb offen – sollte er die "amerikanische Sicht auf Europa darlegen, spart aber sonst nicht mit Tipps für seine alte Heimat".

So erfuhr "seine alte Heimat" auf dem Umweg über den "Kurier": "Die Politiker in Europa hätten die Krise nicht im Griff". "Es ist vor allem eine Krise des Verständnisses und der politischen Führung". Was diese Unterhaltung eines deutschen Ausgewanderten bewirken muss, wenn sie der "politischen Führung" in Berlin zu Ohren kommt, wagt man sich gar nicht auszudenken. Erst "im April hatte er der deutschen Regierung geraten, sich schon mit ihrer Rolle bei einem allfälligen israelisch- iranischen Krieg zu beschäftigen" – eine Idee, auf den diese von selber nie kommen würde, die der "renommierte Staatsmann" dem österreichischen Außenminister auf dem Podium aber vorenthielt, weil der solchen Zuspruch nicht notwendig hat.

Dort schwelgte er in jenem Pessimismus, wie er in "Washingtoner Thinktanks" beim Blick auf Europa üblicherweise gepflegt wird, nur geschwollener. "Heute merke man, 'dass den Menschen der Narrativ fehlt, warum man das, was wir in Europa erreicht haben, mit aller Kraft verteidigen sollte'" . Wäre es nur das, so ein "Narrativ" sollte  sich in irgendeinem Winkel Europas doch auftreiben lassen. Jedoch "Europa ist heterogen aufgestellt – wunderbar. Aber man begreift hier Europa nicht als eine Nation, wie die Amerikaner ihre Nation" , was – "Narrativ" hin, "Narrativ" her – daran liegen könnte, dass Europa keine Nation "wie die der Amerikaner" ist, und auch nicht unbedingt werden muss, wo es doch "wunderbar" ist, dass "Europa heterogen aufgestellt" ist.

Messerscharf enthüllte der "Stargast" aus dem "Washingtoner Thinktank" ferner, wenn Europa von "Krisenlösung zu Krisenlösung eile, statt seine Strukturen zu besprechen, an einer europäischen Außenpolitik und einer europäischen Wirtschaftspolitik zu arbeiten, 'dann wird 's schwierig für Europa'". Das war der Punkt, an dem er zur Erleichterung  des "Kurier" gerade noch rechtzeitig erkannte, er sollte seinen Diskussionspartner nicht wie ein Thinktanker intellektuell plattwalzen: "Aber er dürfe jetzt 'nicht zu professoral werden, und ich spreche auch nicht in Fußnoten', sagte er selbstironisch in Anspielung an seine Plagiatsaffäre".

Nicht jedem gelingt es, die Gefahr, "professoral zu werden", mit soviel subtil aufgetragener Selbstironie abzubiegen. Als Revanche nannte Außenminister Spindelegger "das von US-Präsident Obama angekündigte Freihandelsabkommen USA – EU eine alternativlose Chance, von der 'wir nur profitieren können'".

"Und wann", plagte es den "Kurier", "kehrt Guttenberg nach Europa und in die Politik zurück? 'Ich bin sehr zufrieden, Distanz zu haben, mir Substanz aneignen und aus Fehlern lernen zu können", woraus zwangsläufig folgt: "Ich bin nicht sicher, ob ich in die Politik zurückkehren werde."

Das größte Glück ist doch die Zufriedenheit, und auch der "Kurier" kann zufrieden sein, ein solches "Mitglied des renommierten US-Thinktanks" zu der vom "Außenamt im Rahmen seiner 'Darum Europa'-Serie mitveranstalteten Diskussion" gewonnen zu haben, ehe es vielleicht doch in die Politik zurückkehrt. (Günter Traxler, DER STANDARD, 11./12.5.2013)