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Im Vergleich zu den Anti-Putin-Protesten im Vorjahr waren jene vom 6. Mai am Bolotnaja-Platz verhaltener.

Foto: APA/EPA / Yuri Kochetkov

Der versprochene Dialog ist ausgeblieben. Den Machtkampf hat Putin gewonnen, wichtige Reformen sind aber ausgeblieben.

"Die Atmosphäre auf dem Bolotnaja-Platz war ziemlich trüb" , beschreibt der Schriftsteller Grigori Tschchartischwili (besser bekannt als Boris Akunin) die derzeitige Stimmung bei der russischen Opposition. Am Vorabend des Jahrestags der Putin-Inauguration gingen zwar erneut Tausende in Moskau auf die Straße, doch ihren Elan hat die Protestbewegung längst verloren. Hatten im Winter 2011/12 Kundgebungen die politische Agenda bestimmt und Putin im Wahlkampf dazu genötigt, der Opposition den Dialog anzubieten, so ist deren Einfluss nun nahe dem Nullpunkt.

Mit dazu beigetragen haben dürfte auch der "Sündenfall"  vor einem Jahr, als es bei Protesten zur Amtseinführung Putins zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam. Polizei und Opposition geben sich gegenseitig die Schuld, Provokateure gab es wohl tatsächlich auf beiden Seiten.

Putin nutzte die Vorlage, um hart gegen seine Gegner vorgehen zu können. Nicht allein gegen die mutmaßlichen Aufrührer der Bolotnaja-Krawalle sind inzwischen 30 Anklagen und zwei Hafturteile ergangen: Im Eilverfahren peitschte die Duma mehrere Gesetze zur Gängelung von Medien und Zivilgesellschaft durch. Das Versammlungsrecht wurde beschnitten, das NGO-Gesetz verschärft. Oppositionsführer werden gerichtlich verfolgt, und die zuletzt losgetretene Welle an Überprüfungen von NGOs dürfte auch eins der Themen gewesen sein, das US-Außenminister John Kerry am Dienstag – neben Syrien – in Moskau zu besprechen hatte.

Mehrheit steht zu Putin

Für die meisten Russen sind die Repressionen gegen die Opposition kein Thema. Nach den wilden 1990ern ist ihnen die von Putin versprochene Stabilität wichtiger. Zwar konstatiert auch das kremlnahe Umfrageinstitut FOM einen Rückgang der Zustimmungswerte für den Präsidenten, doch immer noch ist die Differenz zwischen den Zufriedenen (48 Prozent) und den Unzufriedenen (18 Prozent) riesig – bei einem großen Anteil politisch Uninteressierter.

Dank hohem Ölpreis konnte Putin seine sozialen Versprechen aus dem Wahlkampf bisher erfüllen. Doch indem sich der Kreml darauf fokussierte, seine Gegner zu marginalisieren und den Status quo zu wahren, hat er wichtige Reformen versäumt, was sich bereits bemerkbar macht.

Der politische Konfrontationskurs gegen vermeintliche innere und äußere Feinde hat das Investitionsklima nicht verbessert. Die Korruption bleibt trotz der neuesten Kampagne, die auch erstmals ehemalige Regierungsmitglieder tangiert, enorm hoch. Vom Wahlversprechen, für 25 Millionen Menschen neue Hightech-Arbeitsplätze zu schaffen, ist Russland ebenfalls weit entfernt.

Die Wirtschaft zeigt indes Ermüdungserscheinungen: Im ersten Quartal wuchs das BIP nur um ein Prozent, die Jahresprognose musste zuletzt auf 2,4 Prozent her­untergeschraubt werden. So sicher Putin derzeit im Sattel sitzt, er muss aufpassen, dass seine Stabilität nicht im Stillstand endet. (André Ballin aus Moskau /DER STANDARD, 8.5.2013)