Sigmund Freud besaß einen Steyr 50, den seine Tochter Anna fuhr. Die Gestapo beschlagnahmte ihn.

Foto: Technisches Museum Wien

1938 fuhr Ernst Kaltenbrunner, der hochrangige wie berüchtigte SS-Funktionär und in diesem Jahr "Staatssekretär für das Sicherheitswesen im Lande Österreich", einen Renault 449. Noch ein Jahr davor gehörte der Wagen mit dem Kennzeichen A17573 Edmund Grün, gemeldet in der Hohenstaufengasse 9 im ersten Wiener Gemeindebezirk. Die Gestapo hatte Grüns Renault wie viele andere Fahrzeuge beschlagnahmt. Die "Arisierung" jüdischen Besitzes war auch der größte Autoraub in der österreichischen Geschichte: Insgesamt eigneten sich die Nazis etwa 20 Prozent der damals in Wien gemeldeten Pkws an.

Etwa 3000 der entzogenen Kraftfahrzeuge versammelt die Datenbank "NS-KFZ-Raub", die neben einem Gesamtverzeichnis der 1937 gemeldeten Autos seit kurzem auf der Homepage des Technischen Museums Wiens abrufbar ist. "Jede Teilorganisation - SA, SS, HJ und andere - hat im März 1938 wild drauflos beschlagnahmt. Die Gestapo wollte irgendwann einmal die wilden ,Arisierungen' einbremsen und hat Listen verlangt, die relativ umfangreich erhalten sind", erklärt Christian Klösch, der im Technischen Museum Wien das Datenbankprojekt geleitet hat. Gefördert wurde es durch die Initiative "forMuse - Forschung in Museen" des Wissenschaftsministeriums.

Die Daten über die geraubten Fahrzeuge stammen aus 80 verschiedenen Quellen, erklärt Klösch. Zumeist sind das Aufstellungen von NS-Organisationen aus dem Bestand des Österreichischen Staatsarchivs. Dazu kommen Vermögensverzeichnisse von Juden, die ab 1938 ihren Besitz deklarieren mussten.

Die Autos Sigmund Freuds

Etwa 1000 der geraubten Fahrzeuge wurden 1938 im Auftrag der Gestapo im Dorotheum versteigert. Andere wurden diversen NS-Teilorganisationen als Dienstfahrzeuge zugewiesen, höhere Beamte bekamen - siehe Kaltenbrunner - die luxuriöseren Modelle.

Die Gestapo beschlagnahmte unter anderem auch einen Steyr 50 von Sigmund Freud, wie aus den Daten hervorgeht. "Wahrscheinlich hat das Auto seine Tochter Anna gefahren", sagt Klösch. Mittlerweile haben sich in Reaktion auf das Onlinestellen der Daten bereits mehrere Personen gemeldet, die glauben, Informationen über die Autos von Sigmund Freud beisteuern zu können.

Klösch schätzt, dass die Datenbank 90 bis 95 Prozent der entzogenen Pkws in Österreich versammelt. Bei Lkws und Motorrädern sei die Datenlage weniger gut. Das Projekt soll potenziellen Ankäufern - Sammlern, Auktionshäusern und auch dem Technischen Museum selbst - als Hilfsmittel dienen, um die Provenienz von Oldtimern zu prüfen. Das Technische Museum selbst hat bereits ein Fahrzeug restituiert. Im Jahr 2008 konnte im Zuge der Provenienzforschung ein von der SA beschlagnahmter Fiat 522C an den Sohn der ursprünglichen Besitzerin, der Kauffrau Rosa Glückselig, restituiert werden. Nach dem Ankauf ist er nun in der Schausammlung des Technischen Museums zu sehen.

1937 waren insgesamt 50.647 Pkws und 66.715 Motorräder in Österreich gemeldet, von denen 75 bzw. 45 Prozent in eine ebenfalls am Technischen Museum erstellte Datenbank historischer Kfz-Verzeichnisse Eingang gefunden haben. Dabei wurde etwa auf gedruckte Verzeichnisse der Automobilklubs aus den Bundesländern aus jener Zeit und Listen des Bundesheers, das für den Kriegsfall Daten über zivile Fahrzeuge sammelte, zurückgegriffen. (pum, DER STANDARD, 8.5.2013)