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Die Nervosität in den Handelsräumen französischer Banken war schon einmal größer: Momentan kann sich der französische Staat zu sehr günstigen Konditionen Geld leihen.

Foto: AP/Michel Euler

Eine Absicht steckt nicht dahinter. Es ist eher eine glückliche Fügung der Wirtschaftslage: Wegen der Konjunkturflaute und der Geldschöpfung durch Notenbanken sind die Zinsen auf den Geldmärkten derzeit so tief, dass der französische Staat unentgeltlich an kurzfristige Anleihen kommt. Die EU-Kommission bewilligte der Regierung in Paris erst letzte Woche einen zweijährigen Aufschub beim Abbau des Haushaltsdefizits auf drei Prozent.

Wirtschaftsminister Pierre Moscovici kann die Neuverschuldung seines Landes damit ausweiten. Am Montag nahm das Pariser Schatzamt eine Neuemission von zwölfwöchigen Schuldverschreibungen in der Höhe von 8,2 Mrd. Euro vor. Die Investoren, namentlich aus Fernost, stürzten sich darauf. Da bei der Emission zu wenig Anleihen zur Verfügung standen, zahlten die institutionellen Anleger am Schluss sogar noch eine kleine Prämie von 0,004 Prozent, um ihr Geld leihen zu "dürfen". Mit anderen Worten: Der Zins ist für die kurzfristige Anleihe negativ geworden, Frankreich verdient an der Geldaufnahme.

Weniger Staat in Betrieben

Das Phänomen der Negativzinse beschränkt sich nicht nur auf Frankreich; doch Paris profitiert davon am meisten, mehr sogar als deutsche Anleihen, die zwar noch sicherere Werte sind, aber auf dem Zweitmarkt weniger Gewinn abwerfen. Für zehnjährige, das heißt langfristige Anleihen zahlt die französische Regierung auch nur 1,81 Prozent Zins - ein historisch tiefer Wert. Laut dem Chefökonomen der Börsenberatung Aurel BGC wird sie damit gegenüber den ursprünglichen Budgetannahmen " mehrere Milliarden" sparen.

Bei den aktuellen Sparzwängen ist das nicht zu vernachlässigen. Das zeigt sich auch im Bemühen des Pariser Wirtschaftsministeriums, die letzten möglichen Geldquellen anzuzapfen. Geprüft wird laut Wirtschaftszeitung Les Echos vor allem ein Kapitalabbau bei den Energiekonzernen Électricité de France (Staatsanteil heute noch 84,4 Prozent) und GDF Suez (36,7 Prozent) sowie an France Télécom (27,1 Prozent).

Moscovici stellte klar, dass es sich nicht um eine eigentliche " Privatisierung" handeln werde. Diese Präzisierung nimmt der Sozialist an die Adresse des linken Flügels seiner Partei vor. Die Regierung selbst will ihren industriepolitischen Einfluss auf diese Großunternehmen beibehalten - vor wenigen Tagen hatte sie noch ihr Veto gegen den Verkauf des Videoportals Dailymotion, einer France-Télécom-Tochter, an Yahoo eingelegt.

Aus strategischen Gründen dürfte der französische Staat seinen Anteil an Rüstungskonzernen wie EADS, Thales und Safran oder dem Atomkonzern Areva beibehalten.

Bei den Geldeseln EDF, GDF und France Télécom bringen die Beteiligungen dem Staat ihrerseits heute hohe Dividendengewinne ein. Die Beteiligungen dürften deshalb nur um rund zehn bis 15 Prozent abgebaut werden. Unterm Strich dürfte für den Staat ein Verkaufsgewinn von fünf bis zehn Milliarden Euro herausschauen. Dieses Geld soll laut Moscovici nicht in die Budgetsanierung fließen, sondern in die Wirtschaft investiert werden. (Christoph Braendle, DER STANDARD, 8.5.2013)