Der wichtigste Auftrag für maltesische Schafe: viel frische Milch liefern für Gozos essbares Wahrzeichen, den Käse Gbejna.

Foto: viewingmalta.com / Cilve Vella

Wenn sich die ersten Touristen aus dem Bett quälen, um den Sonnenaufgang über dem Horizont zu bestaunen, ist Rikardu Zammit längst auf den Beinen. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet der Gozitaner wie ein Uhrwerk, die freien Tage im Jahr kann der 60-Jährige an seinen Händen abzählen. Wenn er dann doch mal ein verlängertes Wochenende seiner Arbeit fernbleibt, bereut er es danach. Kein Wunder, schließlich besteht diese Arbeit aus nichts weniger als der täglichen Herstellung eines gozitaner Wahrzeichens: Zammit macht Gbejna, den kleinen runden Käse mit der scharfen Pfefferkruste und dem unaussprechlichen Namen.

Er besitzt 150 Ziegen und Schafe, die ihm täglich bis zu 70 Liter Milch spenden. Auf beiden maltesischen Inseln wird nahezu jeder Tropfen Schafmilch und der überwiegende Teil Ziegenmilch für die Produktion von Gbejna genutzt. Neben der Milch benötigt man noch Salze und den aus Kälbermagen gewonnenen Lab, der über die nötigen Enzyme verfügt, um die Milch zum Gerinnen zu bringen.

Alle Wege nach Victoria

Nach dem Melken bringt Zammit den Ertrag in sein Haus in Victoria, der Hauptstadt Gozos. Da es auf Gozo keine Ringstraße gibt, führen alle Straßen unweigerlich durch die zentral gelegene Ortschaft mit 6000 Einwohnern. Am höchsten Punkt thront die Zitadelle, von der man die gesamte Insel überblicken kann.

Der Panoramablick von der Festungsmauer offenbart denn auch, warum Gozo und Malta zwar nur fünf Kilometer, aber gleichzeitig Welten trennen: Während Malta für sich genommen eine der dichtest besiedelten Regionen der EU ist, gibt es auf dem verschlafenen Gozo fast nur weitläufige, landwirtschaftlich genutzte Flächen.

Die Zitadelle rettete die Bewohner Gozos schon des Öfteren vor Invasoren, heute schützt sie durch ihre engen, verwinkelten Gassen vor allem vor der sengenden Sonne. Auch in Zammits Haus ohne Klimaanlage ist es selbst zur Mittagszeit wohltemperiert. Auf dem Dach trocknet der Nordwind den frischen Käse, sodass er sogar Spätaufstehern rechtzeitig zum Frühstück gereicht werden kann - freilich noch in äußerst weicher, halbflüssiger Konsistenz.

Keine Körbe mehr vom Nil

Je älter, desto fester sind die Käsestücke, die mit der Reifung auf die Größe von Tischtennisbällen schrumpfen. Auch steigt mit dem Alter des Käses sein pikanter Geschmack. Mehrere Monate alter GGbejna lagert in Zammits Erdgeschoß in kleinen Körben. Früher wurden dafür Holzkörbe eigens aus dem Nilgebiet Ägyptens importiert, heute verwendet man aus hygienischen Gründen Plastikvarianten. Im frühen 20. Jahrhundert war der GGbejna - damals aus nichtpasteurisierter Milch hergestellt - mitverantwortlich für die Verbreitung der Infektionskrankheit Brucellose, auch Maltafieber genannt. Zammit meint dazu nur lapidar: "Heute stirbt man halt aus anderen Gründen - etwa weil die Luft verschmutzt ist."

Die Gozitaner lieben ihren Käse mit einer scharfen Pfefferkruste. Damit der schwarze Pfeffer am Käse kleben bleibt, tunkt man ihn in Weißwein - aber natürlich verwendet der Gozitaner dafür nur jenen Wein, der selbst nach zwei Jahren noch nicht getrunken wurde. Serviert wird GGbejna traditionell mit getrockneten Tomaten, Chili, Weißbrot, Olivenöl und (dem besseren) Hauswein. Auch Kapern, die auf Gozo und Malta allerorts wachsen, passen dazu.

Ursprünglich hatte Zammit nur eine kleine Greißlerei, in der er seinen Käse verkaufte - bis ihm die Kunden versicherten, sie würden den Gbejna lieber gleich bei ihm essen. Er eröffnete daraufhin sein Restaurant Ta' Rikardu. Und tatsächlich war damals, vor 30 Jahren, die Käseplatte der einzige Menüpunkt auf seiner Speisekarte. Längst bietet er aber ein gutes Dutzend weiterer Speisen an. Sie alle ermöglichen einen Einblick in die maltesische Küche, an deren sizilianischen, nordafrikanischen und britischen Einflüssen man die bewegte Geschichte dieses Inselstaates ablesen kann. (Fabian Kretschmer, DER STANDARD, Album, 4.5.2013)