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Mit dreiwöchiger Verspätung startet am Montag der Prozess um den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU).

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Richter Manfred Götzl führt den Prozess, 50 Journalisten haben einen Platz ergattert.

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Berlin/München – Die Brigitte beim NSU-Prozess im Gerichtssaal, die FAZ und die Welt nicht – es gibt viele Fragen, die viele Menschen Manfred Götzl in den vergangenen Tagen und Wochen gerne gestellt hätten. Doch der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht München schwieg, man bekam ihn nicht zu Gesicht.

Erst am heutigen Montag, wenn der Prozess mit dreiwöchiger Verspätung beginnt und er auf der Richterbank Platz nimmt, hat Götzl seinen großen Auftritt. Unfreiwillig allerdings, denn Götzl ist keiner, der die Öffentlichkeit sucht. Als Vorsitzender Richter interessiert ihn nur eines: die Wahrheit herauszufinden, zu prüfen, ob die rechtsextreme Terrorzelle um Beate Zschäpe tatsächlich zwischen 2000 und 2007 zehn Morde begangen hat. Journalistische Arbeitsbedingungen sind für Götzl nur zweitrangig.

Seit Weihnachten sitzt der 60-Jährige über den Akten, hat kein freies Wochenende mehr gehabt. Götzl gilt als Aktenfresser, als einer, der von der Wahrheitssuche besessen ist, akribisch, penibel, genau. "Ein Mann wie ein Paragraf", schrieb die Süddeutsche Zeitung über ihn, und Götzl hat das sicher als Lob aufgefasst.

Moshammer-Mörder

Erfahrung hat der Jurist viel. Er hat Sexualtäter und Islamisten verurteilt, schickte den Mörder des Münchner Modezaren Rudolph Moshammer und den NS-Verbrecher Josef Scheungraber ins Gefängnis. In München erzählt man, dass nur ein einziges Urteil von Götzl aufgehoben wurde.

Legendär ist aber auch die Geschichte, wie er einen Experten vom Bundeskriminalamt, der nach einstündigem Vortrag einen Schluck Wasser nehmen wollte, anherrschte, er solle zuvor gefälligst um eine Pause bitten. Aufbrausend und stur sind die weniger netten Eigenschaftswörter, die ihm anhaften. Leicht hätte Götzl, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Akkreditierung für nichtig erklärt hatte, einfach drei Stühle mehr für türkische Journalisten in den Saal stellen lassen können.

Er jedoch entschied sich für das völlig neue, den Prozess verzögernde Losverfahren. Aus Trotz, sagen die einen. Aus Gründen der Perfektion, erklären die anderen. Jetzt ist den Paragrafen nach alles korrekt, aber die halbe Welt schüttelt über die merkwürdige Gerichtslotterie den Kopf.

Diese hat den Richter einiges an Reputation gekostet. Manche der 77 Hinterbliebenen der NSU-Opfer, die als Nebenkläger im Prozess auftreten, haben große Bedenken. Ihre Sorge: Wenn schon die Platzvergabe schiefging, wie wird dann erst dieser emotional schwierige Mammutprozess ablaufen? (Birgit Baumann /DER STANDARD, 6.5.2013)