Tunis - Nach monatelangem politischen Stillstand haben die Parteien in Tunesien eine Einigung über das künftige politische System des Landes erzielt. Die Einigung sehe eine Mischform vor, "in der weder das Staatsoberhaupt noch der Regierungschef die oberste Kontrolle über die Exekutive hat", sagte der Chef der islamistischen Regierungspartei Ennahda, Rached Ghannouchi, am Freitag dem tunesischen Rundfunk. Staats- und Regierungschef bekämen jeweils eigene Vorrechte. Zur genauen Aufteilung der Machtbefugnisse äußerte Ghannouchi sich vorerst nicht.

Die Ennahda, die bei den ersten Wahlen nach dem Sturz des langjährigen tunesischen Machthabers Zine el Abidine Ben Ali Anfang 2011 die Mehrheit der Parlamentssitze errungen hatte, forderte bisher eine parlamentarische Verfassung in Reinform. Die meisten anderen Parteien, unter ihnen Verbündete der Ennahda, wollen hingegen, dass der Staatschef einige Machtbefugnisse behält. Derzeit wird das Amt von dem säkular ausgerichteten Mitte-links-Politiker Moncef Marzouki ausgeübt.

Wegen des Streits in dieser Frage zog sich die Arbeit an einer neuen tunesischen Verfassung viel länger hin als geplant. Ursprünglich hatten die wichtigsten Parteien vereinbart, bis Oktober 2012 einen Verfassungstext vorzulegen. Den jüngste, vergangenen Monat vorgestellten Entwurf hatten Juristen und Oppositionspolitiker scharf kritisiert. Sie bemängelten, der Text sei in wichtigen Punkten zu vage, etwa hinsichtlich der Rolle der Religion, der Menschenrechte und der Gleichberechtigung der Geschlechter.

Der seit März amtierende Regierungschef Ali Larayedh verfolgt das Ziel, bis Ende des Jahres die neue Verfassung zu verabschieden und Parlaments- und Präsidentschaftswahlen abzuhalten. (APA, 3.5.2013)