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Das Schlechte an ungeliebten Kollegen dichten wir ihnen oft selbst an. Vieles liegt am schlechten Umgang miteinander.

Foto: APA/dpa/Pleul

Neben dem des Chefs trübt vor allem das kollegiale Verhalten die Stimmung am Arbeitsplatz. Die ungezügelten Launen und Stimmungen, die Egozentrik und die Aggressionsbereitschaft, die vergeblich gesuchte Hilfs- und Unterstützungsbereitschaft der anderen, all das ist regelmäßiger Stein des Anstoßes. In Gesprächen wird das immer wieder deutlich. Und es wird mit eindeutigen Schuldzuweisungen und teilweise stupender Selbstgerechtigkeit beredt beklagt.

Kollegialität wird wie selbstverständlich erwartet. Der "gute Kollege" geistert als Idealvorstellung durch die Köpfe. Entsprechend hoch wird die Messlatte an das Verhalten der anderen gelegt. Eine Erwartungshaltung, die, wie alle falschen Erwartungen, nur ins Leere laufen, Enttäuschungen und Frustrationen produzieren kann. Unrealistische Vorstellungen von Kollegialität einerseits und der über jeden Zweifel erhabenen perfekten eigenen Kollegialität andererseits vermengen sich so zu dem Stimmungsbild "miese Kollegen".

Druck und Tempo

Sind sie wirklich so mies, die miesen Kollegen? Druck und Tempo der heutigen Arbeitsumstände machen auch das berufliche Geschehen zwangsläufig rauer. Und mit ihm den zwischenmenschlichen Umgang. Ein Übriges steuert noch die verunsichernde Zukunftsungewissheit dazu bei. Niemandes Nerven bleiben davon unberührt. Entsprechend hoch ist die unterschwellige innere Anspannung. Hinzu kommt: Was auf der Mikroebene des Persönlichen tagtäglich in einem selbst brodelt, das Auf und Ab der verhaltensbeeinflussenden Befindlichkeits- und Stimmungsschwankungen, all das bestimmt auch auf der Makroebene des kollegialen Umgangs das Geschehen mit.

Die schnelle Schuldzuweisung à la Sartres berühmtem Wort "Die Hölle, das sind die anderen", sie wird den Umständen nicht gerecht, nimmt lediglich als spontanes Luftmachen ein wenig von dem eigenen inneren Überdruck. Und, die Sache verfälschender noch, verführt dazu, die als befremdlich empfundenen Verhaltensweisen "der anderen" immer minutiöser zu registrieren, die eigenen aber nicht mit der gleichen kritischen Schärfe im Blick zu haben. So, etwas ganzheitlicher gesehen, bekommt die Sache mit den "miesen Kollegen" ein anderes Gesicht.

Überhöhte Erwartungen

Wo immer Menschen miteinander zu tun haben, sind Reibungen mit von der Partie. Wirklichkeitsfern mithin die Vorstellung von komplikationsfreier Zusammenarbeit. Gleichwohl verständlich der Wunsch nach komplikationsfreierem Umgang. Soll er Wirklichkeit werden, verlangt dessen Erfüllung allerdings anstatt der Erwartungen an "die anderen" den beherzten Sprung über den eigenen Schatten.

Weniger Probleme mit anderen gibt es nur in Eigenarbeit. Durch den Abbau überhöhter Erwartungen an "die anderen" und den Aufbau einer veränderten Einstellung zu ihnen. "Miese Kollegen", keine Frage, die gibt es. Doch auch keine Frage, vielfach sind sie Einstellungssache, ein belastendes Denkkonstrukt. Dass vieles im Leben Einstellungssache ist, ist keine neue, in ihrer entlastenden Wirkung nur etwas in Vergessenheit geratene Erkenntnis. Seit der griechisch-römischen Antike steht das Wissen im Raum: Nicht die Dinge und Umstände an sich sind belastend, ihre belastenden Wirkung ergibt sich aus der persönlichen Einstellung dazu, aus dem, was darüber gedacht wird. Der Philosoph Epiktet (ca. 50 bis 125 n. Chr.) beispielsweise wies darauf hin: "Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, sondern die Meinungen und die Beurteilungen über die Dinge." Ein Hinweis, den der Kommunikationswissenschaftler und Therapeut Paul Watzlawick zu der Bemerkung zuspitzte: "Wer seelisch leidet, leidet nicht an der wirklichen Wirklichkeit, sondern an seinem Bild von der Wirklichkeit."

Starre Denkmuster

Das in manchem Kopf verankerte Bild "miese Kollegen" dürfte mithin häufiger für den Leidensdruck verantwortlich sein als das tatsächliche kollegiale Verhalten. Die Macht dieses Bildes von der Wirklichkeit war bereits Marc Aurel, dem Philosophen unter den römischen Kaisern (er regierte von 161 bis 180), bekannt, wie seine Bemerkung "Unser Leben ist, was unser Denken daraus macht"andeutet.

Der Philosoph und Theologe Rudi Ott, emeritierter Religionspädagoge mit Lehrauftrag an der Universität Mainz für Philosophie (Studieren 50 plus), sagt in klaren Worten, was das heißt: "Jeder geht mit der Zeit kaputt, wenn er sich nicht immer wieder Zeit nimmt, um sich passendere geistige Strukturen aufzubauen: innere Bilder, Gedankenfiguren, Selbstdarstellungsformen."

Für Ott ist die Selbstbeschädigung durch statische, zementierte Vorstellungen und Erwartungen bei genauerem Hinsehen oft größer als die der Beschädigung durch fremde Verhaltensweisen. Das von "den miesen Kollegen" ausgelöste Belastungsempfinden habe häufig weniger mit denen und mehr mit den irreführenden Drehbüchern im eigenen Kopf zu tun. Es werde schlicht und einfach oft mit dem falschen Maß gemessen. Insofern sei so mancher "miese Kollege" eine Kopfgeburt und der diesbezügliche Vorwurf unangemessen. Der Schluss daraus liegt für Ott auf der Hand: " Ich kann keine Probleme lösen, wenn ich in mir nicht immer wieder Denkmuster aufbaue und pflege, die mir neue Möglichkeiten eröffnen."

Souveränes Verhalten

Insbesondere auch neue Möglichkeiten der Selbstbehauptung. Schwinge doch in der Klage über "miese Kollegen" auch die Sorge um die berufliche Selbstbehauptung mit, gibt Ott zu bedenken. Dabei gelinge aber gerade auch die Selbstbehauptung und Respektierung durch andere in einem zugegebenermaßen schwieriger werdenden Umfeld mit einem von Denkschablonen befreiten Verhaltensauftritt stets besser als über impulsive Empörung und Gegenangriff. Wenn Ott auch keineswegs die Existenz mieser Kollegen in Zweifel zieht, hängt das Ausmaß ihrer Wirkmacht für ihn aber immer von der eigenen Verhaltenssouveränität ab: " Größe und Belastungsintensität des Problems sind ebenso wie der Wunsch, kollegial entspannter zu arbeiten, eine Frage der Bereitschaft, mehr von sich selber zu verlangen als von den anderen zu erwarten." Und wo Ott den Schwerpunkt dazu sieht, daran lässt er keinen Zweifel: "Erst mit sich ständig erneuernden Denkmustern vermag der Mensch die Aufgaben anzugehen, die ihm in den Wechselbeziehungen seines Lebens gestellt werden. Der Mut wird stärker, die geistige Flexibilität verbreitert sich, die Beziehungsfähigkeit wird kreativer." (Hartmut Volk, DER STANDARD, 4./5.5.2013)