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In Österreich ist hat fünfte Mensch einen BMI über 30.

Foto: dpa-Zentralbild-Arno-Burgi

Wien/Krems - Übergewicht breite sich weltweit als Pandemie aus, selbst Länder, die vor einigen Jahrzehnten noch mit Hungersnöten zu kämpfen hatten, seien betroffen, erklärten Experten heute bei einem Pressegespräch in Wien. Auch in Österreich seien die Zahlen "schockierend", sagte Gerald Gartlehner vom Department für Evidenzbasierte Medizin und klinische Epidemiologie der Donau-Universität Krems. Etwa jeder Fünfte verzeichne hierzulande einen Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 30 und gelte daher als adipös. Dies würde nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen verringern und ihnen einen früheren Tod bescheren, auch die Gesellschaft wäre davon belastet.

Keine Lösungen

Die Wissenschaft stecke bei diesem gewichtigen Problem noch in den "Babypatscherln" und habe zu wenig evidenzbasierte Erklärungen und Lösungen zu bieten, so die Experten. Die Sache wäre ja im Prinzip einfach: Wenn man mehr Kalorien aufnimmt als verbraucht, baut der Körper Fett auf, sagte Gartlehner. Im Alltag sei die Situation aber komplexer und in einem sozialen und gesellschaftlichen Umfeld zu sehen, darum wären alle Programme, die sich nur auf Energieaufnahme und -verbrauch beziehen langfristig kaum erfolgreich. Daher brauche es komplexe Interaktionen, aber zurzeit gäbe es hier mehr Fragen als Antworten.

So sei noch nicht einmal klar, was ein gesundes Körpergewicht ist. Lange habe man einen BMI von 25 für optimal gehalten, neue Studien hätten aber gezeigt, dass Menschen mit einem BMI von 25 bis 29 die höchste Lebenserwartung haben, erklärte Gartlehner. Außerdem gäbe es übergewichtige Personen, die davon keine negativen Auswirkungen erwarten müssen, weil ihre anderen medizinischen Werte im Optimalbereich liegen - in den USA würde man die Glücklichen als "fit and fat" bezeichnen.

"Es ist zu wenig Wissen vorhanden, welche Maßnahmen Ergebnisse zeigen, auf die man sich verlassen kann und die zugleich umsetzbar sind", so Niederösterreichs LHStv. Wolfgang Sobotka. Er sieht Bedarf, zu jeder Altersstufe Rahmenbedingungen zu setzten, die solche Lebensstilerkrankungen minimieren und die Gesundheitserwartung verbessern.

Handlungsbedarf

Gartlehner erklärte, die Verantwortung läge sowohl bei den einzelnen Personen als auch bei der Gesundheitspolitik. "Namhafte Wissenschafter führen die Zunahme von Übergewicht auf die Verwendung von Maissirup als Zuckerersatz zurück", erklärte er. Im Gegensatz zu normalem Zucker würde dieses Gebräu, dessen Verwendung in den USA von 1970 bis 1990 um tausend Prozent zugenommen habe, nicht zu einem Anstieg von Hormonen führen, die ein Sättigungsgefühl verursachen. Für die Produzenten sei dies eine Win-win-Situation. "Einerseits ist Maissirup billiger, andererseits essen die Leute mehr von ihren Produkten", so Gartlehner. Für die Konsumenten sei es schwer zu kontrollieren, wo Maissirup enthalten ist. Deshalb sieht Gartlehner hier Handlungsbedarf für die Gesundheitspolitik.

Auch Elisabeth Jäger von der Adipositas Selbsthilfegruppe Österreich forderte, dass mehr an den Ursachen geforscht wird, anstatt die Schuld nur bei den Betroffenen zu suchen und sie zu schikanieren. Selbst Ärzte würden mit schlanken Patienten freundlicher und respektvoller umgehen, als mit Übergewichtigen, beklagte sie.

Adipositas-Prävention ist das Thema des vierten Europäischen Forums für evidenzbasierte Prävention (EUFEP), der Kongress findet am 12. und 13. Juni in Krems statt. An dem Kongress würden nicht nur internationale Experten und Politiker, sondern auch betroffene Personen teilnehmen, so die Veranstalter. (APA, 3.5.2013)